Vorfahrt für die Landwirtschaft beim Recht
Revision des Raumplanungsgesetzes und Weiterentwicklung der Agrarpolitik
Die Rechtsfakultät der Universität Luzern ist in der Schweiz zuständig für Agrarrecht. Neue Gesetze müssen von Juristen und Fachpersonen beurteilt, interpretiert, ausgestaltet, umgesetzt werden. Dafür organisiert die Universität Luzern jeweils internationale Tagungen zu wechselnden Themen des Agrarrechts. An der 9. Agrarrechtstagung ging es um die Revision des Schweizer Raumplanungsgesetzes, die 2026 in Kraft treten soll. Raumplanung ist schwierig, wegen der Konkurrenz um den Boden, Konflikten um Lärm und Gestank am Rande von Wohngebieten und sogenannten Gesetzeskonflikten zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden, zunehmend auch zwischen Agrarwissenschaftlern und Juristen. Bauern und Bäuerinnen sind unter Druck, haben aber einen Auftrag, der in der Verfassung und der Landwirtschaftsgesetzgebung fest geschrieben ist.
Bauern und Bäuerinnen sind in der Lieferkette für Nahrungsmittel das schwächste Glied, wie gerade eine Vorlage des Agrarausschusses im Europa Parlaments festhält, dazu Angriffsziel von reiner Finanzwirtschaft und Neidern, wegen der Bauernhäuser an unverbauter Lage und Direktzahlungen. Die Landwirtschaft hat einen Verfassungsauftrag und dient dem Gesamtinteresse, für Ernährungsicherheit, Unabhängigkeit des Landes, Neutralität, Lebensgrundlagen, Gesellschaft, andere Wirtschaftszweige wie Industrie im ländlichen Raum (Hidden Champions), einer intakten Landschaft für Tourismus, weshalb sie in der Raumplanung bevorzugt werden soll, was auch bedeutet, dass das spezifisch für die Landwirtschaft geltende Recht eingehalten werden muss, etwa Bäuerliches Bodenrecht, Bewertung zum Ertragswert, Selbstbewirtschaftung und landwirtschaftliche Ausbildung. Gesetze, die die Landwirtschaft betreffen, müssen so ausgestaltet sein, dass Landwirtschaft in ihrer Vielfältigkeit ermöglicht wird, und nicht, damit Financiers ihr Geld unterbringen für Bauen. Die Anfänge der Raumplanung, früher Landesplanung genannt, gehen zurück auf die Wirtschaftskrisen in den 1920er und 1930er Jahre sowie den Jahren der Hochkonjunktur in den 1950er bis 1960er Jahre, als ungeordnet in die Landschaft hinein gebaut wurde. Raumplanung ist nicht die Sorte Planung, die Vorschriften ohne Ende produziert, sondern Gestaltung für einen attraktiven ländlichen Raum, intakte Landschaft und Bedingungen, die die Landwirtschaft braucht. Um das zu beurteilen und darüber zu verfügen, muss man die Landwirtschaft kennen und anerkennen.
Raumplanung und Demokratie
Bei der Raumplanung geht es um die nachhaltige Nutzung des Bodens, geordnete Besiedlung, gegen ungeordnete Bautätigkeit und Bodenspekulation und darum, die ortsbezogenen Voraussetzungen zu schaffen für Wirtschaft mit Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, für kulturelle Begegnung, Lebensqualität. Raumplanung schützt Eigentum und die Lebensgestaltung der Menschen mit wenig Beeinträchtigung der Natur. Raumplanung soll bewirken im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, dass Bund, Kantone und Gemeinden an einem Strang ziehen bei der Umsetzung. Raumplanung ist keine Planwirtschaft mit Konkurrenzverbot, sondern setzt sinnvolle Regeln.
Raumplanung funktioniert nur, wenn Demokratie, Verfassung und Rechtsstaat eingehalten werden, ohne Verwaltungsvorschriften und Raubkultur. Wie der Präsident Staates El Salvador in anderem Zusammenhang sagte:
"Die Demokratie funktioniert noch lange. Sie geht nicht so schnell in die Brüche, es ist der Unterhalt, die Wartung, die nicht mehr gemacht werden. Die Demokratie gibt vom Wohlstand verwöhnten, auf Wählergunst ausgerichtete Politiker den Anreiz, die Steuereinnahmen in den Haushaltskassen auszugeben und zu verteilen, bis die Staatskassen leer sind. Dann nehmen sie Schulden auf. Das korrumpiert Regierungen und zerstört die Gesellschaften. Wir befinden uns im Niedergang und kümmern uns nicht mehr um die Instandsetzung der Systeme."
Frei übersetzt nach Nayib Bukele, Präsident von El Salvador mit palästinensischen Wurzeln. Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten Tucker Carlson im Juni 2024:
Seeking God's Wisdom, Taking Down MS13 and Advice to Donald Trump
Raumplanung regelt das Wo von bauen, wohnen, wirtschaftlichen Aktivitäten und Eigentum, den Erwerb von Eigentum. Raumplanung beeinflusst den Wert von Grundstücken und Häusern. Raumplanung betrifft auch die Form von Bauen, wo es oft weniger um die Schaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen geht, sondern um Gewinn und Verkauf zu einem höheren Preis, das absichtliche Hochtreiben von Bodenpreisen, Übernahme durch Finanzgesellschaften, die im obigen Zitat beschriebene strategische Korruption , indem untergeordnete Verwaltungseinheiten, Kantone und Gemeinden undurchsichtige, sich widersprechende Verwaltungsvorwände produzieren, die Schaden.
Landwirtschaft benötigt Kulturland zur Erfüllung ihres Auftrags für alle
Um ihren in der Verfassung und der Landwirtschaftsgesetzgebung festgeschriebenen Auftrag für das Gesamtinteresse zu erfüllen, brauchen Landwirt:innen Kulturland, Einkommen und Garantien für die Einhaltung der gesetzlich verankerten Bedingungen für ihre praktische Arbeit. Ihre Betriebe müssen wirtschaftlich sein und genügend Entwicklungsmöglichkeiten bieten, Hofübergabe und Erwerb durch Selbstbewirtschafter gewährleistet. Auch Landwirtschaftsbetriebe im Nebenerwerb oder als sogenannte kleine Existenzen können die Aufgaben der Verfassung erfüllen, sodass sie dann nicht unbedingt wirtschaftlich sein müssen. Sie verhindern dann, dass unnötig Menschen in Sozialhilfe kommen. Deshalb schützt und bevorzugt die Revision des Schweizer Raumplanungsgesetzes (RPG2) die Landwirtschaft und die Landschaft. Letzteres, weil der von Bundesrat und Parlament ausgearbeitete Vorschlag der Verfassungsinitiative zum Landschaftsschutz den Wind aus den Segeln nahm, sodass die Initianten aus Umwelt- und Naturschutzkreisen sie zurück zogen. RPG2 tritt voraussichtlich 2026 in Kraft. Vorher müssen noch die untergeordneten, ausführenden Gesetzesbestimmungen ausgearbeitet werden, darunter die Raumplanungsverordnung, über deren Ausarbeitung der Chef Sektion Recht des Bundesamts für Raumentwicklung ARE an der Agrarrechtstagung in Luzern berichtete. Zusammen gefasst sind die wesentlichen Punkte der Vorrangstellung der Landwirtschaft in RPG2 und die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben:
- Art. 104a Schweizer Bundesverfassung: Ernährungssicherheit und Sicherung des Kulturlandes als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion.
- Art. 16 a Abs. 4 und 5 Raumplanungsgesetz des Bundes von 1979: Vorrang in der Landwirtschaftszone.
- Bei Interessenabwägungen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, etwa wenn sich Anwohner in der angrenzenden Bauzone belästigt fühlen durch Geruchs- und Lärmbelästigung. (Biogasanlage), können sie keine Klagen einreichen gegen den Landwirt.
- Stabilisierungsziel: Es sollen möglichst keine zusätzlichen Bauten in der Landwirtschaftszone gebaut werden. Es kann aber kein Landwirt gezwungen werden aufzugeben und seine Gebäude abzureissen, um Kompensation zu schaffen für andere Bauten oder Umzonungen.
- Energiegesetz: Erleichterung von Bewilligungsverfahren für Energieanlagen auf Bauernhöfen, etwa für Solarpanels an Fassaden oder Zäunen.
Raumplanung und Agrarpolitik
Unter Agrarökonomen werden die Probleme, die entstanden sind, wegen denen Bauern und Bäuerinnen im letzten Jahr in Deutschland und anderen Ländern auf die Strasse gingen, vor allem mit den Direktzahlungen für die Landwirtschaft in den Zusammenhang gebracht. Sie wecken Begehrlichkeiten. Manche Landwirte geben sie aber selbst weiter an Finanzgesellschaften, etwa für einen Stallbau, den sie auch mit den Direktzahlungen eigentlich nicht finanzieren können. Viele Agrarökonomen sagen, man soll Direktzahlungen abschaffen, wie die USA das schon 2013 gemacht hat. Da bin ich dagegen. Es sollte zuerst versucht werden, die 1990 begonnene, ab 2012 zum Stillstand gekommene und 2021 sistierte Agrarreform weiter zu führen, indem Direktzahlungen für die Landwirtschaft wieder entsprechend dem Verfassungsauftrag und der Landwirtschaftsgesetzgebung allen berechtigten Landwirt:innen ausbezahlt werden, unter Wahrung der in der Schweizer Bundesverfassung geltenden Grundrechte für Eigentum und Datenschutz und die Agrarpolitik in regionale Wirtschaftsentwicklung überführt wird, wie ursprünglich geplant. Regionale Wirtschaftsentwicklung bedeutet nicht Konkurrenz, sondern Zusammenarbeit.
Dies entspricht auch den oben ausgeführten Grundsätzen der Raumplanung, wie sie im Raumplanungsgesetzes von 1979 im Schweizer Rechtssystem verankert ist. Die Rechtsgrundlagen für regionale Wirtschaftsentwicklung wurden ab 2008 unter Altbundesrätin Doris Leuthard geschaffen als Neue Regionalpolitik. 2024 hat die Schweiz neben den USA als erstes OECD Mitglied einen Bericht veröffentlicht zum Stand der Innovation im ländlichen Raum. Ein Ergebnis war, dass alleine, um diesen Bericht für die OECD Abteilung Regionen und Städte zu schreiben, die Ämter und Behörden auf den unterschiedlichen Ebenen von Eidgenossenschaft, Kantonen und Gemeinden zusammenarbeiten mussten, was die Menschen, die in den entsprechenden Verwaltungen arbeiten, als bereichernd empfunden haben.
Spezifische Gesetze für Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone
Wenn mit RPG2 die Landwirtschaft den Vorrang haben soll in der Raumplanung, erscheint es sinnvoll, sich die spezifisch für die Landwirtschaft zu befassen und damit der Landwirtschaftszone geltenden gesetzlichen Grundlagen sowie einen Rückblick zur Agrarreform, aufgrund der die Direktzahlungen eingeführt wurden. Die angesprochenen Gesetzeskonflikte entstehen auch dadurch, dass zunehmend Politiker und Juristen sich in den Bereich Landwirtschaft einmischen, die die Branche nicht kennen und deshalb kein Verständnis haben, zum Beispiel für die unterschiedliche Bewertung des Bodens, oder die Bedürfnisse der Landwirte. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen sollten die Gesetze, die für Landwirt:innen gelten und deren Anwendung so aufgebaut sein, dass sie die Produktion ermöglichen.
Die Landwirtschaft prägt die Landschaft. eine Touristin mit Hund spürt den Moorboden unter ihren Füssen und geniesst den Ausblick. |
HINTERGRUNDWISSEN
Landwirtschaftsgesetzgebung in der Schweiz und Agrarreform ab 1990
Die Raumplanung der Schweiz unterscheidet zwischen Landwirtschaftszone und Bauzone, mit unterschiedlichen Vorgaben, nicht nur für das Bauen. In der Schweiz gilt für die Landwirtschaft die Ertragswertbewertung. Dass bedeutet, dass Land und Gebäude weit unter dem theoretisch zu erzielenden Marktwert weiter gegeben werden, traditionell meist in der Generationenfolge der Familie. Die Ertragswertbewertung erlaubt aber auch Landwirten ohne familieneigenen Betrieb einen Landwirtschaftsbetrieb zu erwerben für die Selbstbewirtschaftung, da der Preis sich wie der Name sagt, am möglichen Ertrag richtet und nicht wie in der Bauzone am Bodenpreis in der wohlhabenden Schweiz.
Bedingung für den Kauf eines Landwirtschaftsbetriebes ist die Selbstbewirtschaftung und eine landwirtschaftliche Ausbildung, wofür es aber für Quereinsteiger berufsbegleitende Kurse gibt. Auch innerhalb von der Familie müssen die Nachfolger den Hof in der Regel kaufen. Es gibt eine Beleihungsgrenze, die vom Ertragswert abhängig ist und die maximale Verschuldung gesetzlich verankert. Die abtretende ältere Generation und die sogenannten weichenden Erben, also die Geschwister des Hofnachfolgers, der Hofnachfolgerin, bekommen in der Regel den Kaufpreis und ihre Ansprüche ins Grundbuch eingetragen. Die Altenteiler erhalten Zinsen. Der Anspruch der Geschwister ist für den Fall, dass der Hofnachfolger den Hof verkauft, dass sie dann ausbezahlt werden. Das wird auch oft gemacht für die geschiedene Ehefrau, die vor der Scheidung jahrelang mitgearbeitet hat. Auch der Einbau einer zweiten Wohnung für die Altenteiler, die Umnutzung von Altgebäuden, etwa für Ferien auf dem Bauernhof ist schon lange gesetzlich geregelt in der spezifischen Landwirtschaftsgesetzgebung. Investitionen werden mit staatlich geförderten Darlehen getätigt, die geprüft werden auf ökonomische Tragfähigkeit und getilgt, amortisiert werden müssen, also entsprechend der Investitionsrechnung in Raten zurück bezahlt.
Kinder von Landwirt:innen, potenzielle Hofnachfolger, die geeignet sind, die Landwirtschaft selbst zu bewirtschaften, haben ein Vorkaufsrecht zum Ertragswert. Dieses wird auch gesichert, wenn der Bauer stirbt und die Kinder noch unmündig sind. Dann darf der Hof verpachtet, aber nicht verkauft werden. Das ist im Prinzip unabhängig von der Grösse des Landwirtschaftsbetriebes und anderen Vorgaben und ergibt sich aus der Bedeutung der Landwirtschaft für das Gesamtinteresse, womit eben die eingangs geschilderten Aufgaben aus der Verfassung, aber auch die Bedeutung der Landwirtschaft im Alpenland Schweiz betreffend.
Landwirtschaftliches Gewerbe in der Schweiz
Im Gegensatz zum Begriff Gewerbe in Deutschland und Österreich, wo ein Landwirtschaftsbetrieb dann als Gewerbe eingestuft wird, wenn er aufgrund von seinem Umsatz und der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit gleich behandelt wird im Steuerrecht wie die Gewerbebetriebe aus anderen Sektoren, bedeutet Landwirtschaftliches Gewerbe in der Schweiz, das er über mindestens eine Standardarbeitskraft (SAK) verfügt. Wo in Deutschland SAK ein kalkulatorischer Begriff aus der Betriebswirtschaft ist, um unterschiedlich grosse Betriebe zu standardisieren, damit man ihre Wirtschaftlichkeit vergleichen kann, ist die SAK in der Schweiz eine Verwaltungskennzahl, die den standardisierten Arbeitsbedarf berechnet, etwa pro Grossviehheinheit (GVE), pro Obstbaum, oder pro Hektar Ackerfläche. Diese werden dann mit den entsprechenden Einheiten auf dem Betrieb multipliziert und zusammen gerechnet. Für landwirtschaftsnahes Gewerbe auf dem Hof, etwa für Milchverarbeitung oder einen Hofladen, gibt es zusätzliche SAK. Ein Landwirtschaftsbetrieb, auf dem mehr als eine SAK arbeitet, ist wesentlich weitreichender geschützt als ein kleinerer. Im Berggebiet kann die kantonale Landwirtschaftsverwaltung die für ein geschütztes landwirtschaftliches Gewerbe benötigten SAK herunter setzen. Im Berggebiet sind es gerade die kleineren Betriebe, die die in der Bundesverfassung festgelegten Aufgaben erfüllen. Steile Hänge zu mähen erfordert mehr Handarbeit. Die alpinen Landschaften werden am Besten mit Rindern erhalten. In einem früheren Blogpost habe ich bereits geschrieben von den Folgen aufgelassener Alpen und Bergweiden.
Agrarreform ab 1990: Wechsel von Preis- und Absatzpolitik zu Direktzahlungen
Demokratisch gewählte politische Vertreter in Parlament und Regierung können nur kleine Schritte der Politik entscheiden. Grosse Veränderungen und Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft brauchen Expertenwissen, Einbezug von Interessenvertretungen und lange Vorarbeit, Abwägungen hinsichtlich nötiger Anpassung von Gesetzen, Verfassung, Prognosen der Auswirkungen, dies besonders in der Schweiz wegen der direkten Demokratie. Ursprünglich gab es in der Schweiz ein sogenanntes vorparlamentarisches System, bei dem Wissenschaftler und Experten sich überlegten, wie vorgehen, bevor Gesetze erarbeitet und verabschiedet wurden durch die politischen Institutionen. Sie holten auch oft weitreichendere Gutachten ein. Ziel neuer Gesetzesvorlagen war, kein fakultatives Referendum oder Verfassungsinitiative auszulösen, indem vor allem Sachfragen gelöst und potenzielle Initianten von Volksabstimmungen mit einbezogen wurden in die politische Willensbildung. Dies wegen der hohen finanziellen und politischen Kosten von Volksabstimmungen. Wenn Monate lang gestritten wird, gegensätzliche Meinungen aufeinander treffen, hört das auch nach der Abstimmung nicht auf. Für das Verständnis des Schweizer Raumplanungsgesetz ist es notwendig sowohl das politische System der Schweiz zu verstehen, wie auch die Entwicklungen in der Schweizer Agrarpolitik. Ab 1990 reformierte die Schweiz als Vorreiterin ihre Agrarpolitik, vom planwirtschaftlichen, protektionistischen System mit sehr hohen staatlich garantierten Preisen und garantiertem Absatz für Agrarprodukte zum System mit Direktzahlungen. Seit 2012 wurde die Agrarpolitik nicht mehr weiter entwickelt. Bis dahin war diese Agrarreform ein gutes Beispiel für gelungene Instandsetzung, wie es der Präsident von El Salvador mit dem obigen Zitat wahrscheinlich meint.
Direktzahlungen
Die grosse Agrarreform in der Schweiz ab 1990 für den Wechsel von der Politik mit garantierten, staatlich fest gesetzten Preisen zu einem neuen System mit Direktzahlungen für die Landwirtschaft wurde sehr früh, ab den 1970er und 1980er Jahren angedacht. Direktzahlungen als direkte Einkommensübertragungen von der Staatskasse zum Bürger, der sich nicht selbst versorgen kann durch Arbeitseinkommen, stammen aus der liberalen Schule der Wirtschaftswissenschaften. Zum Beispiel schlug der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman (1912-2006) eine negative Einkommenssteuer vor. Statt Sozialhilfe über entsprechende Ämter mit grossem Verwaltungsaufwand sollten diejenigen, die es nicht schafften durch Erwerbsarbeit genügend Einkommen zu erwirtschaften, sollten durch Ausfüllen derselben Steuererklärung wie für die Berechnung der Steuern, einen Betrag, über den sie selbst verfügen konnten, erstattet bekommen. Dahinter stand einerseits die Idee, Verwaltungsaufwand einzusparen, andererseits, dass die Empfänger mit dieser direkten Einkommensübertragung etwas sinnvolles machen, wie etwa Aus- und Weiterbildungen, um im Arbeitsmarkt eine bessere Chance zu bekommen. In England beispielsweise werden bis heute solche Direktzahlungen an Sozialhilfebezüger übergeben. Auch wenn in der Schweiz und der Europäischen Union die Direktzahlungen an Bedingungen (Conditionality) geknüpft sind, bleiben sie per Definition ein liberales Politikinstrument, sodass die vielen Vorschriften und Kontrollen systemfremd sind, bis zum Ausschluss aus der Landwirtschaft, Überführen in die Sozialhilfe, Abriss der Hofstelle für die Kompensation, wegen dem Stabilisierungsziel des Raumplanungsgesetzes, abgesehen davon, dass sie die in der Schweizer Bundesverfassung garantierten Grundrechte negieren. Die Schweiz hat keine Verfassungsgerichtsbarkeit, sodass wer seine Grundrechte verletzt sieht, das einklagen muss, was in einem solchen Fall nicht möglich ist, sondern ausführende Behördenmitarbeiter müssen selbst Einsehen haben und ihre Fehler korrigieren, oder Aufsicht und Kontrolle, Geschäftsprüfung müssen einschreiten. Der Abriss von Wohnhäusern ist zudem ein volkswirtschaftlicher Verlust.
Agrarreform ab 1990 von der Preis- und Absatzgarantie zu Direktzahlungen
Die Vorarbeiten für den Wechsel in deer Agrarpolitik ab den 1990er Jahren wurden lange vorbereitet, denn es gab schon lange sehr viele Probleme mit der Agrarpolitik der Preis- und Absatzgarantie. Sie war mit hohen Kosten verbunden und führte zu Überproduktion. Auch kamen die Subventionen nicht alle bei der Landwirtschaft an, was wiederum dem Auftrag in Verfassung und Landwirtschaftsgesetzgebung widersprach. Das planwirtschaftliche System mit Milchkontingentierung und detaillierten Vorgaben auch für die Verarbeitungsindustrie empfanden viele als einschränkend und hinderlich. Allerdings waren Direktzahlungen an die Landwirtschaft vor ihrer Einführung sehr umstritten ausserhalb von akademischen Kreisen. Die meisten Bauern und Bäuerinnen lehnte sie ab, weil sie fürchteten so zu abhängigen Staatsangestellten zu werden.
Die für die Agrarreform vorgesehenen Führungskräfte wurden ausgebildet in einem eigenen Nachdiplomstudiengang an der Universität St. Gallen unter der Leitung von Professor Hans W. Popp (1930-2020), der als Vizedirektor des Schweizer Bundesamts für Landwirtschaft auch die Leitung für die Durchführung der Agrarreform hatte. Auch wenn die vorher geschilderten internen Schwierigkeiten mit der damaligen Agrarpolitik wichtig waren, war der Übergang zu Direktzahlungen überwiegend notwendig wegen der Gründung der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation) 1995. Während in der Vorgängerorganisation GATT (General Agreements on Tariffs and Trade) die Landwirtschaft und Agrarpolitik ausgenommen war, war die Landwirtschaft in der WTO Gegenstand von Verhandlungen zur Senkung von Zöllen, Subventionen und vor allem Exportsubventionen. Dabei war vor allem die EU Stein des Anstosses, weil auch sie Preis- und Absatzgarantie für die Landwirtschaft hatte und grosse Getreidebaubetriebe, Zuckerfabriken, die die Weltmärkte überschwemmten mit Agrarprodukten, die sie zu herunter subventionierten Dumpingpreisen dort verkauften, dass nichts mehr funktionierte auf den internationalen Agrarrohstoffmärkten.
Die Schweiz ist wegen der Bedeutung ihrer hochspezialisierten Industrieprodukte für den Export auf den internationalen Handel angewiesen und, dass dieser den von der WTO verhandelnden Regeln folgt. Wichtige Bereiche der WTO Verhandlungen für die Schweiz waren zum Beispiel Geistiges Eigentum und Patente. Deshalb wollte die Schweiz ihre Position nicht geschwächt sehen durch eine extrem protektionistische Landwirtschaftspolitik mit sehr hohen Subventionen. Mit der Direktzahlungspolitik sollten neben der Einkommenssicherung der Landwirte bei gleichzeitig mehr Marktwirtschaft auch die umweltfreundliche Produktion erwirkt und die heute in der Bundesverfassung und der Landwirtschaftsgesetzgebung verankerten Ziele verwirklicht werden. An diesen Zielen von Bundesverfassung und Landwirtschaftsgesetzgebung orientieren sich die entsprechenden Vorgaben für den Bezug von Direktzahlungen. Diese gelten heute offenbar nicht mehr für alle, indem auf extrem kriminelle Art Vermögen und Häuser auch in anderen Ländern, Erwerbseinkommen aufgrund von hohen Qualifikationen und Berufserfahrung blockiert, gekaufte Schafe für die Selbstbewirtschaftung gestoppt, ein Jahrelang im Einsatz und Eigentum stehender Traktor entwendet und für Erpressung fest gehalten wird. Das mit dem Ziel eine vermeintliche Verwaltungsvorschrift zu implementieren, um ein Haus an bester Lage, von hohem volkswirtschaftlichen Wert abreissen zu können als Kompensation für einen Stallbau, oder um ein Landschaftsschutzgebiet umzuzonen und darauf Wohnhäuser bauen, womöglich noch illegal. Diejenigen, die sich an so etwas beteiligen, können genauso gut ihre Investitionen, ihre Verwaltungsarbeit normal machen. Die Weiterführung der Schweizer Agrarpolitik für regionale Wirtschaftsentwicklung im ländlichen Raum birgt sehr viel Potenzial sowohl für Investitionen wie für Arbeit.
Direktzahlungen in der Schweizer Landwirtschaft
Die Agrarreform von der Preis- und Absatzpolitik zu den Direktzahlungen mit Liberalisierung der Märkte fand schrittweise statt. Es fanden jeweils im Winter Informationsveranstaltungen über die ganze Schweiz verteilt, wo die jeweiligen Änderungen bekannt gegeben wurden und erklärt. In der Schweiz werden die Direktzahlungen an die Landwirtschaft aufgefasst als Entgelt für Leistungen, die der Markt nicht abgeltet, nicht zum Ausgleich für den tieferen Preis für die verkauften Produkte. Dies Leistungen sind in der Bundesverfassung und dem Landwirtschaftsgesetz festgelegt und die Direktzahlungen werden in entsprechende Kategorien eingeteilt, was auch dem ursprünglichen Konzept der Welthandelsorganisation WTO entsprach, einer Ampel für den internationalen Wettbewerb verzerrende Subventionen und Handelshemmnisse. Die Direktzahlungen an die Schweizer Landwirtschaft sind hi überwiegend in der sogenannten Greenbox, welche als Entgelt für ökologische Leistungen gelten und die Preisbildung über den Markt nicht beeinflussen. In der Amberbox sind die Versorgungsbeiträge, die pro Hektar ausbezahlt werden, wenn weitere Bedingungen erfüllt sind hinsichtlich Umweltschutz, Tierwohl und Nährstoffbilanz. Gegenwärtig findet in der WTO ein Verhandlungsprozess statt, um neue Regeln für die Landwirtschaft zu entwickeln, sodass von dort gegenwärtig kein Druck ausgeht, weitere Anpassungen zu machen.
Für den einzelnen Landwirtschaftsbetrieb gestalten sich die Direktzahlungen so, dass die die Summe der Zahlungen als Einnahme verbucht werden und sie die verschiedenen Bedingungen als Auflagen der Bewirtschaftung erfüllen. Dies zum Unterschied des ursprünglichen Konzepts der Direktzahlungen, die dem Empfänger als Einkommensausgleich gegeben werden, damit die Kontinuität der staatlichen Unterstützung gewährleistet ist, wenn über lange Zeit eine Branche wie die Landwirtschaft subventioniert und mit anderen Staatseingriffen ein geschützter Markt geschaffen wurde und dieser dann liberalisiert wird. Bei diesem ursprünglichen Konzept ging man davon aus, dass bis zur nächsten Generation, Anpassungen erfolgt sind, dass die Direktzahlungen dann nicht mehr benötigt werden.
Folgen fehl geleiteter Agrarpolitik
Dass die Schweizer Landwirte flächenbezogene Direktzahlungen als Summe erhalten, die Betriebe durch Strukturwandel grösser geworden sind, hat dazu geführt, dass sie die Direktzahlungen benützt haben, sich besser zu mechanisieren, was bei der Betriebsvergrösserung notwendig ist und vor allem haben viele gebaut. Weil ihre Finanzierung nicht gut überdacht war und die, die sie finanziert haben, Druck machen, entstand die Situation im Schweizer Berggebiet, wie sie im Blogpost zur Alpwanderung geschildert ist, dass auf Berghängen wie im Bild unten, keine Rinder mehr weiden.
Alp im Kanton St. Gallen ohne Rinder, Verbuschung vorne und Mahd weiter hinten. Unterhalb ist zuerst ein sehr steiler Hang, dann ein Staudamm. |
Die traditionelle Arbeitsteilung in der Schweizer Milchwirtschaft, dass Talbauern ihre Aufzuchtrinder mit Vertrag zu einem Bergbauern geben und, dass im Berggebiet Milchwirtschaft mit Herden, die Rinder für die Aufzucht von unterschiedlichem Alter und Gewicht, die mehr oder weniger steilen Hänge im Sommer beweiden, dass auch tiefer gelegene Voralpen mit viel Handarbeit gemäht werden für wertvolles Heu, war immer das wichtigste Anliegen der Agrarpolitik. Jungrinder, die den Sommer auf der Alp mit Bewegung und extensivem Futter verbringen, dort deshalb langsamer wachsen, wachsen dafür schneller und gesünder, wenn sie dann nach dem Abtrieb auf der Heimatweide im Herbst und mit Heu und Silage im Winter. Die traditionelle Milchwirtschaft im Berggebiet, die Arbeitsteilung bei der Aufzuct war immer ein Pfeiler der Schweizer Agrarpolitik, an der keine Reform je gerüttelt hat. Die Sucht der Landwirte nach grossen, neuen Ställen und Traktoren hingegen war immer gegeben. Da hat man in der Schweiz dann eben eine Entschuldung durch geführt.
Beim letzten Schritt, bevor Manfred Bötsch als Direktor des Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft sein Amt abgab, wurden Projekte auf freiwilliger Basis eingeführt. Diese waren Naturpärke auf der Basis des Natur- und Heimatschutzgesetzes von 1966, die Landschaftsqualitätsprojekte und die Projekte Regionaler Entwicklung PRE. Das Natur- und Heimatschutzgesetz geht auf die Bemühungen um ein Raumplanungsgesetz zurück. Erst 1979 waren die Differenzen sowohl innerhalb der Raumplaungsbewegung wie auch den Gegnern, vor allem aus der Bauwirtschaft behoben, dass das Raumplanungsgesetz in seiner ersten Variante in Kraft treten konnte. Die einen wollten Schutz des Eigentums, die anderen der Landschaft. Letzeres war einfacher durchzusetzen, sodass zuerst das Gesetz über den Natur- und Heimatschutz kam. In einem folgenden Blogpost, oder auf meinem seit über zehn Jahren sich in Arbeit befindlichen Hauptblog werde ich schreiben über die Fragen der ursprünglich vorgesehenen Weiterentwicklung und Überführung der Schweizer Agrarpolitik in regionale, ländliche Wirtschaftsentwicklung. Die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz wurden unter Altbundesrätin Doris Leuthart geschaffen, in Form der Neuen Regionalpolitik ab 2008. Um sie vorzustellen kam sie 2008 ins Toggenburg.
Ausblick: Regionale Wirtschaftsentwicklung bei OECD und Europarat
Als alter Industriestandort und mit Aufnahme des weltbekannten Jakobswegs ins internationale Verzeichnis alter Wege, Via historia, sollte meine Region Toggenburg Vorreiter sein. Leider wurde das falsch verstanden von den damals politisch Verantwortlichen und nichts mehr gemacht. Andere Standorte haben sich aber mit Industrieclustern gut weiter entwickelt und inzwischen gibt es die erwähnten Arbeitsgruppen und Projekte der Organisation für wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Der Europarat, bei dem die Schweiz gut vertreten ist mit Generalsekretär Alain Berset und Parlamentariern, hat eine Bank, die solche Projekte finanzierren kann. Es geht aber nicht nur um den Wiederaufbau von ländlichen Regionen nach Deindustrialisierung, Überalterung und Niedergang, auch wegen den wirtschaftlichen Verwerfungen von Coronapandemie-Lockdowns und Ukrainekrieg, sondern auch darum, die fianziellen Vorteile der Nachhaltigkeit zu ermitteln und aufzunehmen in die normalen Rechnungen von Gemeinden, Regionen und untergeordneten politischen Einheiten, wie Kantone in der Schweiz und den Bundesländern in Deutschland. Bisher werden Umweltschutz- und Energieförderungsmassnahmen nur mit den Kosten bewertet und nicht berücksicht, dass zum Beispiel Arbeitsplätze entstehen, die zusätzliche Lohnsteuern in die Gemeindekassen bringen, eine attraktive Gegend auch Besucher anzieht, die temporär dort arbeiten, Ausbildungen und Praktikas machen, oder als Touristen und Studienaufhalter kommen, Mund zu Mund propaganda machen, um eine Region, die heute auch grenzüberschreitend sein kann, bekannt zu machen und zum Beispiel händeringend gesuchte Facharbeiter anzuziehen.
Somit ist die Schweizer Raumplanungsbewegung auch ein Vorreiter für unterschiedliche neue Disziplinen der ortsbezogenen Betrachtung, einschliesslich der Möglichkeit Datensysteme zu erarbeiteten für Entscheidungsgrundlagen aufgrund von Messungen, realen Zahlen und Gegebenheiten gegenüber Mutmassungen, politischer Polemik und Parteiprogrammen, Ideologien.
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