Linolschnitt

Linolschnitt

Monday, July 12, 2021

Gedanken zum Wolf in der Schweiz

 

Eingewanderte Wölfe sind kein Hexenwerk,
wenn die Menschen sich als Teil der Natur verstehen, wie die Hopi 


Kolorierter Linolschnitt der Wolf Kachina Kweo, gefertigt nach der Volksabstimmung im September 2020 zur Revision des Schweizer Jagdgesetzes mit hässlichen politischen Diskussionen und Ablehnung minimaler Bestandsregulierung der Wölfe.



In der Schweiz, wie in anderen europäischen Ländern vermehrt sich der Wolf unkontrolliert, wahrscheinlich exponentiell. 2012 gab es in der Schweiz ein Wolfsrudel, 2022 sind es deren elf. Wölfe reissen Schafe, Ziegen. Auch Kälber und Rinder wurden schon angegriffen. Elektrozäune mit hoher Spannung und "offizielle" Herdenschutzhunde sollen in der Schweiz zur Pflicht werden.

Mit dem Linolschnitt wollte ich die von Spendensucht, Subventionssucht und Direktzahlungsneid geführte Abstimmungskampagne der “Wolfsbefürworter” von meiner Seele spülen, und ich trauerte. Die First Nations im Westen der USA wurden schwer getroffen von der Pandemie. Sie  konnten wegen der Ansteckungsgefahr die Beerdigungszeremonien nicht durchführen. Die Toten mussten, in den Plastiksäcken, mit denen sie aus dem Krankenhaus kamen, schnellst möglich in den Boden. Friedhöfe wurden erweitert. Viele verloren von einem Tag auf den anderen die Menschen, mit denen sie ihren Alltag verbracht hatten. Die Ureinwohner Nord Amerikas nennen sich heute First Nations. Ich schreibe noch “Indianer”, weil ich es nicht besser weiss. Der Indianer Winnetou ist im deutschsprachigen Raum der Freund und Held. Der Indianer lässt denken an gute Kindheitserinnerungen.

Erinnerungen an meine Kindheit in Amerika


Die Kultur der Hopi gehörte zu meiner Kindheit in Alabama, USA. Meine Mutter sammelte Schmuck, Teppiche, Hochzeitskörbe. Sie kaufte sie unterwegs auf unseren Reisen von Alabama nach Kalifornien vom Geld, das sie als Musiklehrerin verdiente. Sie kaufte in Pfandleihhäusern. Sie wollte keine touristischen Souvenirs, sondern Artefakte, die in Gebrauch gewesen waren, an denen die spirituelle Welt der Hopi noch haftete. Die Hopis sind ein friedfertiger Indianerstamm. Mit ihren Traditionen und Ritualen beten sie vor allem für Regen, aber auch für Frieden und Wohlergehen der ganzen Welt. Wie bei anderen Naturvölkern, sind für sie Vergangenheit und Gegenwart eins. 

"Kachinas sind Geistwesen, die Seelen der Vorfahren, die gestorben sind, um wieder ganz Teil der Natur zu werden."

Wir hatten die Kachina Puppe Pang, das wilde Bergschaf. Pang der Schafbock wacht über die Herden, die Kinder, die jungen Schafböcke und schützt sie. Die Hopi geben ihren Kindern Kachina Puppen, geschnitzte Figuren, damit sie spielend und tastend die Traditionen lernen. Auf dem Linolschnitt klettert Pang den steilen Berg hinauf.  Als Zuchtbock bestimmt er die nächste Generation, die Zukunft der Herde, ihre Gesundheit, die Qualität von Fleisch und Wolle.

Invasoren unerwünscht

Nur wenige Tage hatten wir, um die Westküste zu erreichen. Mein Vater, der Computerwissenschaftler, hatte, wie alle Amerikaner, nur wenige Tage Urlaub im Jahr. Trotzdem hielten wir immer wieder an, um uns Land und Natur anzusehen, oft auf der Spur der Hopi und Zuni, das Volk, das meine Mutter besonders interessierte. Einmal fuhren wir mit dem alten blauen Chevy durch die leeren Strassen eines ärmlichen Pueblos. Einige Wachposten lehnten an den Wänden der Lehmbauten, starrten mit eisigen Blicken unter ihren Cowboy Hüten hervor. Die Hopi leben in Pueblos, übereinander gestapelte Würfel aus Lehm. Die Bewohner waren in ihre Häuser gegangen, als sie die Touristen kommen sahen. Ich schaute aus dem Autofenster und verstand nicht, warum wir bei soviel Ablehnung, dort eindringen mussten. Im Monument Valley fuhren wir am Ende der für Touristen von der Stammesverwaltung frei gegebenen steinigen Wüstenstrasse weiter und weiter, bis wir  bei einer Hütte ankamen. Ich erinnere mich nicht mehr, ob vor der Hütte wirklich ein halb fertiger Teppich war. Meine Mutter wusste aber, dass hier eine Weberin lebte. 

Wilde Hunde schützen Haus und Arbeit

Giftiges Gebell, bullige Hundeköpfe mit mächtigen Gebissen aus denen lange, weisse Fangzähne heraus ragten. Muskeln spielten unter schwarz glänzendem Fell. Ihren Meister sahen wir nicht, aber er hielt sie zurück. Sie tänzelten nervös und jederzeit zum Sprung bereit, falls die Autotür aufgehen sollte. Mein Vater legte den Rückwärtsgang ein. Bevor wir die Touristenstrasse wieder erreicht hatten, drückte ein grosser Stein die Ölwanne ein. Per Zufall kam ein Ranger in einem Pickup-Truck vorbei. Es war Sonntag und er hatte jemanden besucht im Tal, war nicht im Dienst, um auf Touristen aufzupassen. Mein Vater, meine kleine Schwester und ich kletterten hoch hinauf auf den Beifahrersitz. Meine Mutter blieb in der sengenden Hitze im dunkelblauen Auto mit verriegelten Türen und geschlossenen Fenstern, bis Stunden später der Abschleppwagen kam, von dem der Ranger gesagt hatte, dass er unmöglich an einem Sonntag aufzutreiben sein werde. Auch traue sich wohl niemand in das Hohheitsgebiet der Indianer, um den Wagen einer Touristenfamilie zu holen, die sich nicht an die Regeln gehalten hatte. Ich glaube nicht, dass meine Mutter nur blieb, damit der Abschleppdienst das Auto holen musste, um der Anschuldigung zu entgehen, eine Frau in der Wüste verdursten gelassen zu haben. 

Schwierige Jagd muss gelernt werden

Hirsch und Reh sind dem Wolf an Kraft und Kampfkraft überlegen. Sie töten einen Wolf oder verletzen ihn schwer, wenn das Rudel nicht präzise arbeitet. Ich habe schon gesehen, wie ein Reh einen mittel-grossen Hund mit den vorderen Beinen zuerst verprügelte und dann in hohem Bogen durch die Luft warf, dass er mehrere Meter weiter liegen blieb und erst nach Minuten wieder aufstand. Oft brechen Wölfe ihre Jagd ab. Sie bewerten ständig das Risiko, das Risiko getötet oder verletzt zu werden, Energie zu verlieren, wenn sie der Beute hinterher rennen, und sie entkommt dann doch. Der Wolfsforscher David Mech hat Wölfe jahrelang beobachtet und über ihr Jagdverhalten geschrieben. Wölfe leben im Rudel, damit die Jungwölfe die komplizierte, schwierige Jagd lernen, aber auch, damit es genügend Esser hat. Wo der Luchs seine Beute mit Laub überdeckt und immer wieder zurück kehrt zum fressen, holen Krähe und Fuchs was vom Wolfsfrass übrig bleibt. Wölfe begnügen sich auch mit kleinem Getier wie Feldmäuse, Füchse, vielleicht auch Murmeltiere und andere Tiere, die weitaus gefährdeter sind vom Aussterben wie der anpassungsfähige Wolf. Es wurde schon berichtet, dass drei Wölfe Igel aus dem Unterholz aufscheuchten, damit sie auf eine Strasse liefen, um von Autos überfahren zu werden. Dann schleckten die Wölfe die Überreste von der Strasse. Wölfe leben auch deshalb im Rudel, damit bei der Jagd Verletzte gepflegt werden können. 

Dass wir soziale Wesen wurden, verdanken wir wahrscheinlich dem Wolf

Evolutionsbiologen meinen, Menschen hätten ihr Sozialverhalten vom Wolf übernommen. Die mit uns am engsten verwandten Menschenaffen leben in Kleinfamilien, sodass man annimmt, die frühen Menschen hätten nur zu ihren direkten Verwandten eine engere Beziehung gehabt. 

Vor ungefähr 100 000 Jahren, beobachtete wahrscheinlich ein Mensch wie Wölfe Rentiere jagten, die damals in grossen Herden über ausgedehnte Graslandschaften zogen. Die Wölfe arbeiteten ähnlich einem Hütehund. Mal umkreisen die Wölfe die Herde, dann trieben sie sie zusammen. Sie kennen jedes Tier und seinen Gesundheitszustand. Ist es Zeit, holen sie ein schwaches Rentier heraus, so wie heute die schlachtreifen Nutztiere in den Schlachthof geführt werden.

Mensch und Wolf machen gemeinsame Sache - Der Wolf wird zum Hund

Für den frühen Mensch war es schwer, ein Rentier zu erbeuten. Ob der Wolf auf den Mensch zukam, oder umgekehrt, ist nicht sicher. Wahrscheinlich kamen die Wölfe zuerst ans Lagerfeuer und die Menschen warfen ihnen Knochen und Essensreste zu. Oder die Menschen gingen zum Wolfsbau und raubten Jungtiere. Jedenfalls taten sie sich zusammen, der Mensch mit seinem Hirn, der Wolf, mit Zusammenarbeit, Schnelligkeit und Jagdinstinkt. Sie jagten und assen zusammen, passten sich aneinander an. Der Wolf wurde zum Hund, der Mensch lernte, dass Zusammenarbeit gut ist. Und sie gingen fortan zusammen durch die Welt. Man spricht von Co-Evolution. Vor etwa 10 000 Jahren erfanden die Menschen den Ackerbau, die Landwirtschaft. Es gab aber auch Orte, wo die Menschen Naturmanager und Landschaftspfleger blieben, etwa in der Prärie von Nord Amerika. Dort weideten damals grosse Bisonherden. Hier jagten Wolf und Mensch weiterhin jeder für sich. Die Menschen aber schauten sich die Jagdkünste der Wölfe ab.

Jagd der Indianer im ursprünglichen, natürlichen System der Prärie

Riesige Herden von Bisons grasten auf den Prärien Nord Amerikas, bevor sie per Regierungserlass zum Abschuss freigegeben wurden, um die Prärie unter Pflug zu nehmen, um den Indianern die Lebensgrundlage zu nehmen. Die Bisons hatten keine Angst vor Wölfen, frassen ungerührt weiter, wenn Wölfe zwischen ihnen durch spazierten. Sie akzeptierten den Wolf. Sie wussten, dass wenn sie fortlaufen, die Schwachen, die Kälber hinterher rennen müssen, und dann verlieren sie mehr Herdenmitglieder und erschöpfen sich. Die Natur ist haushälterisch. Die Wölfe laufen durch die Herde, suchen nach schwächlichen, von Parasiten befallene, Bisons, Kälber, die zu spät geboren wurden, um den Winter zu überleben. Wenn es Zeit zu fressen ist, die Welpen Nahrung brauchen, holen die Wölfe sich das vorher ausgewählte Tier. Die Bisonherde bleibt so gesund. Es ist ein grosser Unterschied, ob die Natur sich seit Jahrhunderten selbst reguliert oder ob der Mensch einfach ortsfremde Wölfe ungewisser Herkunft einwandern lässt. 

Indigene Naturmanager als Vorbild nehmen

Die Jäger der Indianer zogen sich Wolfsfelle über und töteten schnell und schmerzlos einen grossen, fleischigen Bison. Ackerbau führte zu Krieg, degradierten Böden und dem Zusammenbruch von Zivilisationen. Viele frühe Hochkulturen gingen durch nicht nachhaltige Landwirtschaft zugrunde, meist ausgelöst durch irgend eine Form von Spekulation, also der Gier nach Gewinn auf Kosten der Landbevölkerung, der Lebensmittelversorgung und Bodenfruchtbarkeit. Blühende Landschaften wurden zu Wüsten. Deshalb ist die Erforschung des Naturmanagements indigener Völker wichtig für die zukünftige Landwirtschaft. Wir können uns eine Wirtschaftsweise nicht mehr leisten, die wie in einem Bergwerk herausholt aus der Natur und  gleichzeitig Abfälle produziert, etwa zu viel Gülle, wenn wir als Menschheit überleben wollen bei Klimakrise, Biodiversitätsverlust, endlichen Ressourcen, Umweltschäden.

Auch die Kulturlandschaft ist ein Ökosystem

Es gilt, ein Ökosystem zu schaffen, in dem der Wolf Hirsche jagt. Diese richten derzeit in Schweizer Wäldern Schaden an. Die Kulturlandschaft muss man sehen als Ökosystem. Der Wolf, der seinen Hunger an meinem kleinen braunen Böcklein stillte, bevor er auf dem Wanderweg weiter lief, später auf der anderen Talseite gesichtet wurde, hat sich seiner Art entsprechend verhalten. Er frass den Kopf und die Beine. Ich glaube nicht, dass einem Wolf die wolligen Tiere wirklich schmecken. Als der Wolfsriss passierte, waren meine Schafe nicht eingezäunt, damit sie vom Stall zum Brunnen trinken gehen konnten. Es war nur ein kastriertes Schafböcklein in der Herde. Die anderen Schafe waren alle weiblich. Sie flüchteten und versteckten sich im Schuppen des Nachbarn, hinter seinem Traktor und anderem Gerät. Als ich sie nach langer Suche fand, kamen sie einfach mit nach Hause. Sie warteten, bis ich sie abholte. In Zukunft werde ich den Auslauf einzäunen. Es hat sich aber gezeigt, dass wenn der Wolf  will, kann er so ziemlich jeden Zaun überwinden, 90 cm sind überhaupt keine Höhe, darüber springt ein mittel-grosser Hund ohne Mühe. Die Schafe aber sind eingepfercht. 


"Der Todesbiss ist den Raubtieren Wolf und den meisten Hunden eingeprägt. Welche Beute die richtige Nahrung ist und wie diese zu jagen ist, müssen sie lernen."


Raubtiere sind sehr lernfähig. Das müssen sie sein, weil sie sonst nicht jagen können. Zu töten ist ihrem Hirn eingeprägt. Welche Beutetiere zum Essen sind und wie man sie jagt, müssen sie lernen. Deshalb müsste man den Wölfen beibringen können, dass sie jagen, wie es ihrer Biologie entspricht und dem Menschen und seiner Kulturlandschaft hilft. Sie müssen also lernen Hirsche zu jagen. Auch Herdenschutzhunde haben den Todesbiss eingeprägt. Alleine schon aufgrund ihrer Grösse sind sie eine grosse Gefahr im Tourismusland Schweiz. Der Beutetrieb wird ausgelöst durch schnelle, ruckartige Bewegungen, wie sie Kinder machen. Hirtenhunde arbeiten im Gegensatz zu den Bordercollies und Schäferhunden, welche die Herden herum treiben, nicht auf Befehl. Sie arbeiten selbständig. Sie dürfen nicht "dressiert" werden. Schon der Besuch einer Hundeschule kann Fehlverhalten auslösen. 

Wolfsabwehr mit gemischten Hunden


Die Indianer geben ihren Schafen mehrere, meist drei, verschieden aussehende, mittel-grosse Hunde. Also zum beispiel einen braunen Hund, einen mit weiss-schwarzen Flecken, einen kurzhaarigen mit spitzen Ohren. Sie sind in Rangordnung den Schafen unter geordnet. Wildtierökologen in Patagonien empfehlen den Ziegenhalter*innen dort die gleiche Methode. Die Hunde bellen, kommunizieren mit den Raubtieren, machen ihnen klar, dass es nichts zu holen gibt. In Osteuropa gibt es ähnliche Erfahrungen mit Schäferhunden, die in Rudeln nachts raus laufen und bellen, vom Typ wie der Hund auf der Abbildung unten:

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Zuerst Recherchieren, Fachleute fragen


Das soll keine Anleitung sein. Wer es ausprobieren will, sollte zuerst Fachleute konsultieren. Auch hier gilt es, das Verhalten der Hunde zu berücksichtigen. Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb dürften nicht geeignet sein. Die schlimmen Bilder der gerissenen Schafe in der Schweiz lassen vermuten, dass die Wölfe die Tiere nicht angegreifen, um sie zu fressen. Das ist ein Fehlverhalten, eine Verhaltensstörung, die man wahrscheinlich beheben kann. Ich glaube nicht, dass Wölfe wollige Schafe überhaupt als Nahrung bevorzugen.

Vielleicht ergänze ich später mit Literaturhinweisen. Dies ist mein erster Blogartikel und weitere muss ich noch schreiben. Alle Quellen, Fachartikel, Bücher zum Wolfsverhalten sind leicht zu finden über das Internet. 

Ich freue mich über Berichte im Kommentare von Erfahrungen zu Abwehrmassnahmen gegen Wölfe, vor allem in Ländern, wie Rumänien, Slovenien, in den Karpaten, auch Deutschland.




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