Linolschnitt

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Saturday, December 23, 2023

Kunst im Kontext des Nationalsozialismus (NS) aktualisiert 23.3.2024)

Vor dem Untergang: Jüdische Künstlerinnen und Jüdische Selbsthilfe 1937 

Eine traurige, aber wahre Geschichte, die sich nicht wiederholen darf


Viele Werke sogenannter NS-Raubkunst sind heute Millionen Wert, sodass Klagen für NS-verfolgungsbedingtem Entzug lohnen. Jüdische Künstler und besonders Künstlerinnen, die vor der NS-Machtergreifung 1933 Kunstgeschichte schrieben, trieb die judenfeindliche NS-Staatsdoktrin und das Konkurrenzdenken der eigenen Kolleg:innen in Tod und Exil. Ihr Werk und die Erinnerung an sie gingen verloren, wie auch das typisch Jüdische in der Kunst, das für Jüdinnen und Juden selbst wichtig war zu retten. 




Linolschnitt: Jüdische Kunst 1937. Mein erster Reduktionslinolschnitt, Inspiriert vom Gemälde Barmizwah von Beatrice Lion für den Kalender der Jüdischen Künstlerhilfe Berlin 1937.



Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte die NS-Propaganda in der Kunst sozusagen eine umgekehrte Wirkung. Alles, was die Nationalsozialisten als schlecht und entartet hingestellt hatten, galt nun als besonders gute Kunst.  Das Bild der klassischen Moderne in der Kunstgeschichte prägten nach dem Zweiten Weltkrieg die Künstler, deren Werke gerettet wurden vor der Zerstörungswut der Nationalsozialisten und dem antisemitischen Pöbel, dem diese mit ihrer Kriegssucht und Unmenschlichkeit den Raum gaben. Die erste Documenta in Kassel 1955 zeigte viele Werke aus der Nazi Propaganda Schau Entartete Kunst 1937. Auch die französischen Impressionisten und andere Vorreiter der modernen Kunst aus Frankreich vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, die den Schwerpunkt der Sammlung E.G. Bührle bildet, erfuhren Wertschätzung in der Nachkriegszeit und gefielen einem Publikum, das keine politische Kunst wollte. Deutsche Impressionisten, etwa Max Liebermann (1847-1935) und Eugen Spiro (1874-1972) wurden erst in den 1990er Jahren wiederentdeckt. Direkt nach dem Krieg war dann das abstrakte Malen angesagt. Linien, Flächen, raffinierte Muster. Warum gab es keine expressiven, figürlichen Darstellungen des NS-Unrechts, des Holocausts, des Leids von Diktatur, Verfolgung und Krieg? Das fragte sich eine bekannte Schweizer Künstlerin in einer Talkshow. 

Viele Künstlerinnen überlebten die Shoah nicht

Jüdische Kunstschaffende in Deutschland waren bereits 1933 ausgegrenzt, mittellos. Noch bevor NS-Juristen überhaupt definierten, wer Jude ist. Direkt nach der Machtergreifung wurden sie belegt mit Berufsverbot, ohne Möglichkeiten an Ausstellungen teilzunehmen, ihre Werke zu verkaufen, aus dem öffentlichen Leben gedrängt, bedürftig und angewiesen auf die Sozialhilfe der jüdischen Gemeinde, sofern sie dort Mitglied waren. Lotte Laserstein und Fanny Remak waren es nicht und waren auch von diesen Ausstellungen und den Verkauf an jüdische Sammler:innen ausgeschlossen. Massgeblich für die Ausgrenzung waren die folgenden Gesetze der Hitler Regierung, die vom Reichstag abgesegnet worden waren:


  • 1. April 1933 Aufruf zum Boykott jüdischer Gesetze
  • 7. April 1933 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
  • 22. September 1933 Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes


Künstler und insbesondere Künstlerinnen, die vor dem Aufkommen der Nationalsozialisten hoch angesehen waren, an der Erneuerung und Weiterentwicklung der modernen Kunst mitgewirkt hatten, gingen in der Shoah unter, zusammen mit ihren Werken. Diese wurden unter der Aufsicht von Museumsdirektoren, von Polizisten, Nachbarn, Nachmietern bei der Wohnungsauflösung zerstört, nach Deportation und Flucht, die nur wenigen gelang. Versteckte Sammlungen fielen Bomben und Brand zum Opfer. Besonders betroffen waren die älteren Wegbereiter der modernen Kunst und vor allem Frauen, die sich ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts trotz Verboten an den Kunstakademien zu studieren, den Weg zur Anerkennung gebahnt hatten durch Talent, Fleiss, kaufmännischem Geschick und kollektives Handeln, organisieren eigener Ausstellungen. Bevor ich weiter fahre, folgt eine Gedenkliste der sogenannt Verschollenen der Kunst:


  • Lotte Laserstein (1889-1993 in Schweden)
  • Fanny Remak (1883-1970 in London)
  • Julie Wolfthorn (1864-1944 im KZ Theresienstadt)
  • Clara Arnheim (1865-1942 im KZ Theresienstadt)
  • Henriette (Henni) Lehmann (1862-1937 Freitod in Hiddensee)
  • Käthe Löwenthal (1878-1942 im Durchgangslager Izica, Polen)
  • Rosy Lilienfeld (1896-1942im KZ Auschwitz, via Lager Westerbork, Niederlande)
  • Rahel Szalit-Marcus (1892-1942 im KZ Ausschwitz, via Sammellager Drancy, Frankreich)
  • Meta Cohen-Hendel (1883-1970 in Kalifornien)
  • Felka Platek (1899-1944 im KZ Ausschwitz), zusammen mit ihrem Ehemann
  • Felix Nussbaum (1904-1944 im KZ Ausschwitz)
  • Oskar Schlemmer (1899-1943, gestorben an Auszehrung im Versteck in Baden-Württemberg)
  • Thea Schleusser (1879-1964 in Berlin)
  • Karoline Wittmann (1913 in München-1978 in München)
  • Elisabeth Springer (1904 in München - 1941 ermordet in Kaunas, Lithauen)
  • Maria Luiko (1904 in München - 1941 ermordet in Kaunas, Lithauen)


Der Experte Benjamin Buchloh sagte an einem Symposium im Münchner Haus der Kunst 2012, dass die moderne Kunst eine ganz andere Richtung genommen hätte, wenn der Nationalsozialismus und die Shoah nicht gewesen wären.

Der Nationalsozialismus sei ein Gemisch gewesen aus Fanatismus, Ideologie und Opportunismus, sagt der schottische Historiker Niall Ferguson. Künstlerkollegen in Verbänden und Vereinigungen nutzten die Gelegenheit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933, um ihre jüdischen Kollegen und Kolleginnen aus dem Weg zu räumen, damit sie selbst zu einer besseren Position im Kunstbetrieb gelangen konnten.

Opportunisten und Neider übernehmen das Zepter

Als kommissärische Vertreter (Vergleiche Steuerkommissär Oswald, der offensichtlich keinen Einblick in meine Steuerdaten hatte, die ich online ausfülle, aber auf der Internetseite des Steueramts aufgeführt war als Mitarbetier) liessen Opportunisten und Neider, NS-Sympathisanten unter den Künstlerkollegen Malschulen und Ateliers schliessen, nach dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 , etwa die Malschule von Lotte Laserstein, an der nur der Name jüdisch klang. Ihre Familie war evangelisch-christlich. Sie sei aber 3/4 jüdisch, schrieb ein neidischer Kollege, der sich kommissärischer Vertreter einer der noch freien Kunstverbände nannte. Ihre Malschule, die junge Frauen auf die Aufnahmeprüfung für die Berliner Hochschule der Künste vorbereitete, sei deshalb ein jüdisches Unternehmen und müsse schliessen. Laserstein durfte dann noch für kurze Zeit als angestellte Kunstlehrerin an einer Malschule für jüdische Mädchen unterrichten. Ihr Vermieter machte ihr aber zunehmend das Leben zur Hölle, indem er sie beschimpfte und mit Rechsstreitigkeiten drohte, sodass sie ihr Atelier aufgab. Das bekannteste Gemälde von Lotte Laserstein entstand schon 1930 zur Weltwirtschaftskrise und der Vorahnung der grossen Katastrophe: Junge Menschen in die Ferne und Perspektivlosigkeit starrend, sitzen an einem Tisch mit der Ikonografie des Abendmahls. Die Kunsthistorikerin Anna-Carola Krause schreibt von der Kunstrichtung des Melancholischen Realismus. Lotte Laserstein erhielt 1937 die Einladung für eine Ausstellung in Schweden. So konnte sie einen Grossteil ihrer Bilder mitnehmen konnte und kehrte nicht mehr zurück ins nationalsozialistische Deutschland. Nach dem Krieg musste sie eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie überhaupt verfolgt war im Nationalsozialismus, obwohl ihre Mutter deportiert und ermordet wurde in Ausschwitz. 

 Am 7. April 1933, nach dem Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, erhielten Hochschulprofessoren, Musiker:innen in Staatsorchestern, Schauspieler:innen und Sänger an staatlichen Bühnen Schreiben wie das Folgende, an den Schriftsteller und Professor für Literatur Viktor Klemperer (1881-1960) gerichtete, gezeichnet mit: Der kommissarische Leiter des Ministeriums für Volksbildung.


"Ich habe auf Grund von §6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ... Ihre Entlassung vorgeschlagen, Entlassungsurkunde anbei."


Das Gesetz mit missverständlichem Name, zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, hatte zum Ziel, eher liberal und progressiv eingestellten jüdischen Professoren in fast allen akademischen Disziplinen zu ersetzen durch überzeugte Nationalsozialisten und Opportunisten, die willfährig sich verhielten gegenüber der Diktatur. Im Fall von Viktor Klemperer war die Universitätsleitung nicht informiert von der Entlassung und wie der Vorlesungsbetrieb weiter geführt werden sollte, hatte keinen Einfluss auf die Anstellung des Nachfolgers von Klemperer. Bekannte Schauspieler nahmen sich das Leben, in einem Fall auch, weil seine Frau jüdisch war und ihm die Stelle an der Staatsbühne nur bleiben sollte, wenn er sich von ihr scheiden liess.

Gleichschaltung und Machtergreifung der NS-Diktatur

Ich verstehe nicht, weshalb heute Politikerinnen und Politiker, vor allem der Grünen, wieder fordern, die gleichen Politikinstrumente totalitärer Wirtschaft einzusetzen, manche sogar eine Art Kriegswirtschaft für die Energiewende ins Spiel bringen, ohne sich bewusst zu werden, was damit veranlasst werden kann. Sie verwechseln Politik und Gesetzgebung. Politik ist ein System von Instrumenten, für die das demokratische Rechtssystem mit Grundrechten in der Verfassung der Rahmen bleiben muss. Gesetze, der Rechtsrahmen, die Prinzipien des Rechtsstaates dürfen nicht für politische Absichtserklärungen geändert werden, oder zur Durchsetzung von einzelnen Interessen. Schon in meinem Umweltnachdiplomstudium an der Universität Zürich wurde, beispielsweise bei der Diskussion um Massnahmen, die den Autoverkehr beschränken sollten, immer wieder eingeworfen, dass man auf ein paar Leute keine Rücksicht nehmen könne, die abgelegen auf dem Land leben und deshalb auf das Auto angewiesen sind, bei Erhöhung des Benzinpreises durch CO2-Lenkungsabgaben in soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten. Demokratie ist niemals die Unterdrückung der Minderheit durch die Mehrheit. Wenn ein Politiker gewählt ist, muss er die Anliegen aller Menschen in seinem Wahlkreis vertreten. Die Definition von Personengruppen, auf die keine Rücksicht genommen wird, die keine Rechte haben, führt in die Diktatur, auch wenn formal eine Demokratie besteht. Solches Denken öffnet dem Antisemitismus die Türen. 

Hitler und seine NSDAP wurden nicht demokratisch gewählt. Sie wurden ins Amt gehievt durch wirtschaftliche Interessen, die von Monopolisten, Kriegs- und Rüstungsindustrie. Eine Rolle spielten auch die amerikanischen Kapitalgeber, die zur Bekämpfung der Wirtschaftskrisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kurzfristige Kredite an die Deutschen vergeben hatten, und diese nun wegen dem Börsencrash von 1929 zurück forderten. Bereits 1930 konnte wegen dieser letzten der schwerwiegenden Wirtschaftskrisen im Deutschland der Zwischenkriegszeit, keine Koalitionsregierung mehr gebildet werden. Es hatte deswegen mehrmals Neuwahlen gegeben. Trotzdem mussten die Vorgänger-Kanzler von Hitler schon vom Reichspräsidenten ernannt werden und regierten mit Notverordnungen. Die entsprechenden Fehler in der Weimarer Verfassung wurden im deutschen Grundgesetz von 1949 geändert. Es ist an sich unverständlich, dass in der heutigen Situation mit zerstrittener Ampel-Regierung immer wieder die Forderung nach Neuwahlen gestellt wird. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland sieht in einem Fall vor, wenn die Regierung nicht mehr regieren kann, dass die Opposition ein Misstrauensvotum beantragt und falls dieses angenommen wird, eine neue Regierung gebildet wird. 

Die Demokratie war ausgehöhlt bevor Hitler an die Macht kam

Nach der Novemberwahl 1932 war die NSDAP vor den Sozialdemokraten stärkste Partei im Reichstag, hatte aber mit 31,1 Prozent, weniger Stimmenanteile als in der vorherigen Wahl im Juli 1932. Der parteilose Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) weigerte sich mindestens zwei Mal, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, gab dann aber nach. Adolf Hitler (1889-1945) wurde am 1.  Januar 1933 Reichskanzler. Nach Reichstagsbrand und Notverordnung zum Schutze des Deutschen Volkes, die rechtskonform war mit der Verfassung der Weimarer Republik, folgten Verhaftungen und Ermordung von politischen Gegnern aus SPD, KPD, Republikanischen Schutzbünden. Bei der anschliessenden Reichstagswahl am 5. März 1933 erreichte die Hitler-Partei mit 43,9 Prozent immer noch nicht die absolute Mehrheit. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat nie für die NSDAP gestimmt. Die grösste Zustimmung hatte die rechtsextreme Partei in Sachsen und den Teilen Schlesiens, die nach der Neuausrichtung der Grenzen und Staatsgebiete durch den Versailler Friedensvertrag 1920 noch zu Deutschland gehörten. Zwanzig Prozent der Wirtschaftsleistung aus Industrie des deutschen Reichs gehörten nach 1920 nicht mehr zu Deutschland. Auch der Geburts- und Heimatsort der Künstlerin Julie Wolfthorn, Thorn in Westpreussen, lag nach 1920 in Polen.

Am 23. März 1933 stimmte der Reichstag dem sogenannten Ermächtigungsgesetz zu, im NS-Rechtsjargon verharmlosend formuliert als Gesetz zur Behebung von Not von Volk und Reich. Nicht abstimmen konnten alle 81 gewählten Abgeordneten der KPD, die bereits ermordet, inhaftiert, oder geflüchtet waren, wie auch 26 SPD-Abgeordneten, denen das gleiche Schicksal widerfahren war. Die ersten, bereits erwähnten antijüdischen Gesetze wurden erlassen. Zu den Nürnberger Rasengesetzen von 1935 erarbeiteten die Verwaltungen noch Ausführungsbestimmungen und bis zur Olympiade 1936 sollte die internationale Öffentlichkeit nicht verstört werden, sodass erst ab 1937 antijüdische Verwaltungsakte um sich griffen. Nicht alle Verwaltungen machten mit. Meine Oma bekam eine nicht-jüdische Identität mit Heimatschein von ihrem Wohnort, ohne Mädchen-Name. Ihr Mann hatte einen Ariernachweis bekommen. Die Geburtsurkunden der Kinder wurden aus dem Geburtenregister als Abschrift ins Familienbuch eingelegt. Andere Wege waren zum Beispiel, dass ledige jüdische Frauen eine Heiratsurkunde mit der Heirat von verstorbenen Männern bekamen. Das war gleichzeitig dann ein Code, dass sie bei Behördengängen bedient wurden von Mitarbeitenden des Schutzsystems, die geschützt wurden von höherer Stelle. Um in den Untergrund zu gehen und als U-Boot zu leben, täuschten viele den Selbstmord vor. Die Ausdruckstänzerin Senta Maria, bei der ich als Kind in München-Solln Unterricht hatte, ging in die Bayerischen Berge und arbeitete als Skilehrerin.

Reichskulturkammer - Berufsverbot für Nichtmitglieder

Im September 1933 erfolgte  die Gründung der Reichskulturkammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit verschiedenen Unterabteilungen, für bildende Künste, Musik, Literatur, usw. Die Reichskulturkammer war der gleichgeschaltete Berufsverband mit Zwangsmitgliedschaft, der Menschen jüdischer Herkunft gar nicht erst aufnahm. Nur über die Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer konnten Künstler:innen in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft Malmaterialien und Künstlerbedarf einkaufen. Jüdische Künstler und Künstlerinnen erhielten einen Mitgliedsausweis der Reichskulturkammer, auf dem ihr Name und ihre Adresse stand, und dem Vermerk, dass sie ausgeschlossen waren. Somit waren sie bereits registriert für die spätere Deportation. 

Kunstschaffende, Grafiker, Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter sehr bekannte und beim Publikum beliebte, Dirigenten, Musiker erhielten im Herbst 1933 das folgende Schreiben, manche sogar schon ab März 1933, geschickt von ihren alten Berufsverbänden und deren kommissärischen Vertretern, also den Kollegen :

"Aufgrund...der ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 ... lehne ich Ihre Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste ab und untersage Ihnen die Führung der Berufsbezeichnung ... und die weitere Ausübung dieses Berufes."

Frauen in der Kunst waren besonders betroffen

Julie Wolfthorn (1964-1944 in Theresienstadt) gehörte zu den gefragtesten Porträtmalerinnen ihrer Zeit. Sie malte Frauen eines neuen Frauentyps, die wie sie berufstätig und unabhängig waren, Dichterinnen, Übersetzerinnen, Sängerinnen, Schauspielerinnen, Tänzerinnen, Fechterinnen und Reiterinnen. Sie stellte 1909 zusammen mit Ferdinand Hodler (1853-1918) und anderen im Kunstsalon Cassirer aus, malte bekannte Persönlichkeiten der Weimarer Republik, zum Beispiel den Literaten und Journalisten Dr. Hugo Marcus (1880-1966), der in den 1920er Jahren zum Islam konvertierte, ohne aus der Jüdischen Gemeinde auszutreten. Marcus bekleidete in der damals einzigen Moschee Deutschlands in Berlin Ämter, schrieb gleichzeitig als Journalist für die Rechte von Homosexuellen, wobei es keine Hinweise gibt, dass er selbst schwul war. Er verliess Deutschland erst 1939 und ging nach Basel in der Schweiz, obwohl er schon länger die Möglichkeit hatte, auch nach Palästina zu emigrieren. Die Mäzenin und Sammlerin Emilie Mosse (1851-1924), Ehefrau des Verlegers des Berliner Tagblatt, liess sich von Wolfthorn malen, weil sie nicht zufrieden war mit drei vom Münchner Malerfürst Franz von Lenbach (1836-1904) gemalten Porträts. Wolfthorn gehörte zur Generation der Künstlerinnen, die noch nicht an einer deutschen Kunsthochschule studieren durften, die private Kunstschulen mit gründete für junge, talentierte Frauen und Künstlerinnenvereinigungen für gemeinsame Ausstellungen, damit ihre Bilder Käufer fanden. Auch Käthe Kollwitz (1867-1945), die heute noch bekannt ist, stellte in Hiddensee in der Scheune des Ferienhauses von Henni Lehmann aus.  Wolfthorn war bis 1933 eine gefragte Jurorin, Vorsitzende von Künstlervereinigungen, Ehrenvorsitzende. 1934 schreibt die damals 70-Jährige Wolfthorn in einem Brief:

"Zwölf jüdische Künstler haben von der Reichskunstkammer folgenden Brief erhalten:

'Wir verbieten Ihnen die Ausübung Ihres Berufs.' 

Eugen Spiro ist darunter, man sagt auch Liebermann. Das ist wohl ein Gräuelmärchen. Wer weiss, wie lange man noch die Möglichkeit haben wird, zu arbeiten."


Max Liebermann war der wichtigste Vertreter des deutschen Impressionismus, seit 1920 Direktor der Preussischen Akademie der Künste, 1927 zum Ehrenbürger der Stadt Berlin ernannt. Vor dem Ersten Weltkrieg war Liebermann einer der Maler, dessen Gemälde zu Höchstpreisen verkauft wurden. Er war aus einer wohlhabenden jüdischen Unternehmerfamilie. Hitler nannte Impressionisten und Maler, die sich an der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts orientierten, abschätzig Französlinge. Zur Beerdigung von Liebermann durften nur Juden und Jüdinnen gehen. Der Grabredner sprach:


"Eine ganze Epoche der Kunst ist untergegangen."


Farbe, Leinwand und anderer Künstlerbedarf konnten die Künstler und Künstlerinnen in der NS-Kriegswirtschaft nur über die Reichskulturkammer beziehen. Dies auch, weil in neuerer Zeit Strassen, die nach lokal bekannten, in der Nachkriegszeit aktiven Künstlern benannt waren, umbenannt werden, weil jemand ausgeforscht hat, dass sie in der Reichskunstkammer waren und vielleicht sogar NSDAP-Mitglied. Um weiter malen zu können, mussten jüdische Künstlerinnen und Künstler Farbe, Papier und andere Malmaterialen von einem nicht-jüdischen Kollegen beziehen. Da es eine Planwirtschaftliche Einrichtung war mit Zuteilungsmechanismen, wurden einige Künstler Mitglied bei der NSDAP, um mehr zugeteilt zu bekommen, damit sie davon abgeben konnten an ihre jüdischen Kollegen.

Jüdisches Museum, Kulturbund und jüdische Selbsthilfe

Schnell wurden die jüdischen Kunstschaffenden, Schauspieler:innen, Musiker:innen vollkommen mittellos und benötigten die soziale Fürsorge der Jüdischen Gemeinde, wenn sie dort Mitglied waren.  1933 gründete die Jüdische Gemeinde Berlin die Jüdische Künstlerhilfe und das Jüdische Museum, um den jüdischen Künstlern und Künstlerinnen Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten zu bieten. Im Juli 1933 wurde der Kulturbund deutscher Juden gegründet auf Initiative des Dirigenten Kurt Singer (1885-1944). Selbst bekannte und beliebte Schauspieler und Schauspielerinnen, Sänger, Musiker waren plötzlich ohne Auftrittsmöglichkeiten, manche aus nur, weil sie sich weigerten sich von ihren jüdischen Ehepartnern scheiden zu lassen. Es gab Selbstmorde deswegen. Die Jüdischen Kulturbünde organisierten bis 1941 Konzerte, Theateraufführungen. In München gab es ein eigenes jüdisches Marionettentheater. 

Die Verdrängung aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben hatte auch Auswirkungen auf die kulturelle Identität, die Werte und Überzeugungen der jüdischen Menschen. Sie besannen sich auf ihre jüdische Kultur, rückten zusammen. Bisher sekulär lebenden Gemeindemitglieder interessierten sich für die jüdische Lithurgie. Lange herrschte der naive Glaube, sie könnten der antijüdischen Staatsdoktrin, dem unverblümten Antisemitismus der NS-Propaganda, dem antisemitisch aufgehetzten Pöbel, jüdische Kultur und Menschlichkeit entgegen setzen, das Gute im jüdischen Glaube und der jüdischen Kultur bekannt machen und überzeugen. Das Schreckliche am Antisemitismus ist, dass er die Abwehrkräfte schwächt, dass er Lüge, Falschbeschuldigung. Eine Krähe hackt der anderen keine Auge aus. Alle machen mit. Man will es einfach nicht glauben. Die Themen der Ausstellungen im Jüdischen Museum Berlin waren etwa Hundert Jahre jüdische Kunst aus Berliner Besitz und Unsere Ahnen. Neben den Verkaufsausstellungen wurden Werke von Camille Pissaro (1830-1909), Max Liebermann, den deutschen Impressionisten Lesser Ury (1861-1931), Eugen Spiro (1874-1972 in New York), dem Expressionisten Jakob Steinhardt (1887-1967), Ludwig Meidner (1884-1966) und Marc Chagall (1887-1985). Die letzten drei, von denen Werke im Besitz der Jüdischen Gemeinde Berlin waren, waren allerdings von den Nationalsozialisten verfemt, sodass die Jüdische Gemeinde sie ab 1937 abhängte. In diesem Jahr zählte das jüdische Museum in Berlin 12 503 Besucher und Besucherinnen. Gezeigt wurden ausserdem typisch jüdische Werke, etwa von Moritz Oppenheim (1800-1882) und das 1909 gemalte Gemälde Samson und Delila von Max Liebermann. Die Jüdische Künstlerhilfe verschickte im Auftrag von Kunstsammlern, Privatpersonen und Künstlern, Werke ins Tel Aviv Art Museum, darunter Werke des ersten akademischen Malers jüdischen Glaubens, der diesen in seinen Bildern darstellte, dessen Bilder die Wände der Wohnzimmer jüdischer Bürger zierten, Moritz Oppenheim. Nur ein geringer Teil seines Werkes ist erhalten, im Tel Aviv Art Museum und im Jewish Art Museum. Auch Julie Wolfthorn beschäftigte sich mit dem, was von ihrem Kunstschaffen für die Nachwelt erhalten bleiben sollte. Auf ihren Wunsch kam ihr 1928 gemaltes Porträt des Malers Christian Rohlfs (1849-1938) in seinem Todesjahr als Schenkung ins Tel Aviv Art Museum. Am 28. März 1938 schrieb die Künstlerin:


"Ich möchte nach meinem Tod doch irgendwo eine Bleibe haben. Hier kommt doch einst alles auf den Scheiterhaufen. Ganz so Schwarz ist es nicht, wie es nach all dem scheint."


Vierfünftel des Werkes von Julie Wolfsthorn wurde zerstört, oder ist verschollen. Die Kunsthistorikerin Heike Carstensen spürte zwölf Jahre lang nach Werk und Lebensspuren der Künstlerin, forschte in Nachlässen in den USA, wohin frühere Käufer und Sammler von Bildern von Wolfsthorn emigriert waren. Von vielen ihrer Werke existieren Abbildungen, oder sie sind in den Listen früherer Ausstellungen enthalten. Von anderen Verschollenen, etwa von Beatrice Lion, dessen Gemälde für den Kalender der Jüdischen Künstlerhilfe ich als Vorlage für meinen eigenen Linoldruck verwendet habe, konnte ich überhaupt keine Lebensdaten finden. Sehr spärlich auch die Lebensdaten, nichts zum Werk von Fanny Remak, von 1927 bis 1933 Vorsitzende des Vereins Berliner Künstlerinnen. Sie war nicht in der Jüdischen Gemeinde, konnte also nicht an den Ausstellungen im Jüdischen Museum teilnehmen. Die Jüdische Künstlerhilfe Berlin half bei der Auswanderung. Auch Julie Wolfthorn trug sich nach dem Novemberprogrom 1938 mit dem Gedanken an Auswanderung, aber wohl mehr, um wieder eine Perspektive zu finden für ihr Leben. Als über 70-Jährige hatte sie kaum eine Chance. Ihrer Nichte in den USA schrieb sie:


"Ich bin nicht so mutlos wie man annehmen müsste. Mit dem Willen hier fort zu kommen, wachsen neue Kräfte und Hoffnungen. Ich schreibe in alle Himmelsrichtungen udn strecke meine Fühler aus... Wir übersetzen zusammen viele meiner Kunstkritiken ins Englische."


Die Schwester der Künstlerin war Übersetzerin. Fünfzig Jahre lebten sie in einer Wohnung in Berlin zusammen. Alle Zielländer für Auswanderer hatten Quotenregelungen. Um nach Palästina auszuwandern gab es zwei Möglichkeiten. Entweder man benötigte ein sogenanntes Arbeitszertifikat für einen Beruf, der in Palästina benötigt wurde, vor allem eine Ausbildung in der Landwirtschaft. Diese konnte man sich auf einem Bauernhof der Zionistischen Vereinigung erarbeiten. 

Auswanderung nur für wenige

Die zweite Möglichkeit waren, als sogenannte Kapitalist einen von den britischen Mandatsverwaltung bestimmten Geldbetrag mit zubringen. Da es keinen freien Kapitalverkehr gab, war eine   Überweisung nicht möglich. Man musste einen Betrag auf ein spezielles Konto einbezahlen, das von NS-Behörden verwaltet wurde, die dann dafür deutsche Waren nach Palästina schickten und verkauften, dann konnte der Kapitalist in Palästina den Erlös auf ein Konto einbezahlen lassen. Wieviel der auswanderungswillige Jude einbezahlen musste, um auf den von den Briten geforderten Betrag zu kommen, legten die NS-Behörden fest. 1938 war das mehr, als er überhaupt einbezahlen konnte. Für beide Auswanderungsmöglichkeiten nach Palästina gab es Quoten und ein Drittel derjenigen, die die Anforderungen erfüllten, wurden abgelehnt. Palästina war britisches Mandatsgebiet, was bedeutete, dass Gross Britanien im Auftrag des Völkerbunds Palästina verwaltete von 1921 bis 1948. Vorher war Palästina Teil des Osmanischen Reichs. 

Lisl Springer (1904-1941), deren Schwester mit Familie 1936 in die USA ausgewandert war, hatte Visum und Ausreiseerlaubnis für die USA. Untergeordnete Behörden aber zögerten die Abreise immer wieder heraus. Dabei konnte ihre Mutter die Tochter in den USA noch 1939 besuchen, trotz heftigen Bemühungen, dort zu bleiben, reiste sie zurück. Sie habe ein Haus und ihre andere Tochter in Deutschland, die Künstlerin sei und kaum noch Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu verdienen. Offenbar glaubten viele es nicht, dass es so schlimm kommen würde. Von Lisl Springe sind nur wenige Werke bekannt. Ihrem Neffen John schickte sie 1940 ein mit Zahnpasta gemaltes Bild zum Geburtstag. Im Jüdischen Museum stellte sie 1937 eine Skulptur aus, die eine Mutter und ihr Kind darstellte. Die Darstellung von Menschen, die sich aneinander schmiegten, zusammen hielten, war ein beliebtes Thema der jüdischen Künstler und Künstlerinnen. Sie hofften bis zuletzt, dass sie durch den Zusammenhalt, die Gemeinschaft überleben würden. Lisl Springer und Maria Luiko (1904-1941) waren bei den etwa Tausend, die 1941 verhaftet und vom Bahnhof Milbertshofen in München mit dem Zug nach Kaunas in Lithauen gefahren wurden, wo sie Litauische Hilfspolizisten und SS-Männer sie zusammen mit deutschen Juden und Jüdinnen aus anderen deutschen Städten erschossen. Ab 1941 galt ein Ausreiseverbot für Jüdinnen und Juden aus Deutschland. Meine Oma hatte auch Jahrgang 1904 und war auf der Kunstgewerbeschule. Sie hörte früh auf zu malen. Schorschi, der 16-jährige Neffe von Karoline Wittmann (1913-1978) wurde aufgegriffen unter dem Vorwand, dass er in der Nähe eines Verbrechens gewesen sei, und ins KZ Dachau eingeliefert. Die Malerin begleitete ihre Schwester, die Mutter von Schorschi, um dem Jugendlichen Essen zu bringen. Der Wachposten am Eingang sagte: 


"Das Essen könnt ihr wieder mitnehmen, und eine Hand voll Asche dazu."


Besonders schwierig sei es für die Älteren Menschen gewesen in Theresienstadt, sagte eine Überlebende, die damals noch jung war und in der Zwangsarbeit beschäftigt war. Ältere Menschen, vor allem Frauen, waren in den Jüdischen Gemeinden in der Überzahl. Junge waren schon früh gegangen, ins Exil, oder sie hatten ihre jüdische Identität erfolgreich abgelegt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der bekanntesten Künstlerinnen Deutschland, sagte Julie Wolfthorns Untermieter 1940:

"Im Gartenatelier haust ein altes Weib und malt."

Wahrscheinlich war Julie Wolfthorn, wie Käthe Löwenstein (1878-1942) erleichtert, als sie zusammen mit ihrer Schwester den Deportationsbescheid bekam nach Theresienstadt. Dort waren die Überlebenschancen deutlich höher als in den anderen KZs, obwohl dort viele ältere Menschen waren. Es wurden aber auch  viele nach Ausschwitz weiter gefahren, und politisch Unbequeme ohne Prozess ermordet. Julie Wolfthorn malte dort weiter. Zwei Zeichnungen von ihr sind erhalten. Sie starb im Alter von 80 Jahren auf der Krankenstation, nach Aussage einer Mitgefangenen. 

Ältere Frauen hatten keine Chance

Käthe Löwenstein lernte das Malen vom Schweizer Maler Ferdinand Hodler. Ihr Vater war Universitätsprofessor für Augenmedizin und Hygiene und hatte zeitweise eine Anstellung an der Universität Bern, wo sie für ihren Schulabschluss blieb, nachdem die Familie für eine neue Anstellung des Vaters weg zog. Sie lebte als Jugendliche bei einer evangelischen Pfarrersfamilie, liess sich taufen und konfirmieren. Sie war freischaffende Künstlerin in München, später in Stuttgart. Zwischen 1935 und 1941 mehrmals in die Schweiz. Sie ging jeweils zurück nach Deutschland, um ihre kranke Freundin Erna Raab zu pflegen, bis diese starb. Sie wurde heimlich unterstützt durch Nachbarn. Der Malermeister Albrecht Kämmerer versteckte Gemälde von ihr zusammen mit denjenigen von Oskar Schlemmer. Ein Bombenangriff 1943 zerstörte dieses Lager, sodass auch von Käthe Löwenstein kaum noch Werke erhalten sind. 1941 wurde ihr die Wohnung gekündigt und sie musste in ein sogenanntes Judenhaus umziehen. Im Februar 1942 ging es in ein Sammellage in einem ehemaligen jüdischen Altersheim im Landkreis Göppingen. Die dort betreuten Bewohner waren schon vorher deportiert worden. Noch im selben Jahr kam die Einberufung zur Besammlung auf dem Stuttgarter Killesberg. Während in München kaum jemand weiss, wo der Bahnhof Milbertshofen ist, waren andernorts die Besammlungen der meist älteren jüdischen Menschen, entsprechend der Demografie der jüdischen Gemeinden, an bekannten, öffentlichen Plätzen, mit vielen Schaulustigen. Es waren viele ältere Frauen, die dort mit dem vorgeschriebenem Gepäck warteten. Die Jüngeren waren entweder schon lange gegangen, oder hatten ihre jüdische Identität abgegeben. Junge Männer konnten als Soldaten im Osten kämpfen. Viele Standesämter stellten problemlos einen sogenannten Ariernachweis aus, eine Art von Stammbaum aus Geburten-, Sterberegister, Heiratsurkunden und Taufscheinen, mit offiziellen Marken hinter jeder Generation, dass alle keine Juden waren.  

Die verlassenen Wohnungen räumten  Polizisten, Hilfspersonal, Zwangsarbeiter an Sammelstellen. Aussortiert wurde das, was versteigert werden konnte. Der Rest, einschliesslich moderner Kunstwerke wurde eingestampft, verbrannt, auf den Müll gegeben. Käthe Löwenstein erstellte eine Testament-Mappe mit religionsphilosophischen Texten, Briefen und Fotos von ihren Gemälden, die eine befreundete Familie aufbewahrte.  Käthe Löwenstein war 63 Jahre alt, so alt wie ich jetzt bin, als sie in einem Durchgangslager auf dem Weg ins Vernichtungslager erschossen wurde. Zuletzt fand ich in der Post an meinem deutschen Heimatort den Auszug aus der Friedhofsverordnung vor, zusammen mit einem Foto von unserem Familiengrab, auf dem das im vorletzten Jahr gepflanzte Heiligenkraut von gelben Blüten auf kurzen Stengeln übersät war, das silbrige Blattwerk des Heilkrautes aus dem Klostergarten auf dem naturnah mit Arzneipflanzen bepflanzte Grab, das seit 1959 in der Familie ist, war ein wenig breit gedrückt. Die Hamamelis hatte allerdings verwelkte Blätter. 

Totalitäre Wirtschaft auf dem Friedhof

Da muss ich eine neue kaufen und pflanzen, damit sie im Februar blüht, zu Geburts- und Todestag meiner Mutter, die hier schon lange ruht.  Ich hatte nicht gedacht, dass die kleinen Setzlinge so schnell wachsen. Begleitschreiben und Friedhofssatzung zum Foto drohte mit Vernichtung und Entzug des Nutzungsrechtes am Grab. Die vollständige Satzung, die ich dann auf der Internetseite las, Verbot das Pflanzen von Sträuchern auf die Gräber, Friedhofsgärtner und andere Dienstleister benötigten eine Bewilligung der Gemeinde. Nutzungsrechte können nach Ablauf der Ruhezeit von der Gemeinde ersatzlos einkassiert werden und das Fotografieren von fremden Gräbern ist verboten. Das tue ich dauernd, weil es sich um einen sehr schönen Friedhof mit vielen schönen, alten Gräbern handelt, zur Inspiration für die Gestaltung meiner eigenen Grabstätte, mit Inschriften von Leuten, die ich kannte, deren Kinder und Enkel mit mir in der Schule waren, Klassenkameraden. An meinem Heimatort lebten nach dem Krieg Kinder von Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime, wie Otto Kiep, der 1944 hingerichtet wurde. Über das frühere Gelände des Bundesnachrichtendienstes werden falsche Dinge im Internet verbreitet. Es sind üble Antisemiten und Rechtsradikale, die totalitäre Wirtschaft machen - Zwang, bestimmte Friedhofsdienstleister zu beauftragen, die die Gemeinde bestimmt. Gräber weg, Häuser weg, vergessen. 

Feministische Missachtung

Auf der Internetseite Lost Woman Art wird Julie Wolfthorn als politische Künstlerin dargestellt, die für das Frauenrecht gekämpft habe und demonstriert gegen den Paragraph 218 (Abtreibungsverbot), und, dass ihre Bedeutung für die Kunstgeschichte vernachlässigt wurde, weil diese von männlichen Künstlern geprägt sei. Julie Wolfthorn hat sich für die Aufnahme von Frauen als Studentinnen an den Hochschulen für bildende Künste eingesetzt. 1904 sagte der Direktor der Königlichen Hochschule der bildenden Künste in Berlin, zur Nichtzulassung von Frauen zur künstlerischen Ausbildung, es solle verhindert werden, dass ein arbeitsloses Künstlerinnenproletariat versorgt werden müsse. Julie Wolfthorn und andere Künstlerinnen organisierten daraufhin private Ausbildungsmöglichkeiten für talentierte junge Frauen, die sie förderten, etwa im Lyceum-Verein in Berlin nach englischem Vorbild. Sie gründeten Künstlerinnenvereinigungen, organisierten Ausstellungen, zum Beispiel in der Scheune neben dem Ferienhaus der Malerin Henni Lehmann auf Hiddensee. Gemeinsam stellten die Künstlerinnen Kontakte zu potenziellen Käufer:innen und Auftraggeber:innen her. Als 1933 die NS-Zeitung Völkischer Beobachter hetzte gegen die Berliner Künstlerinnenvereinigung und deren jüdische Vorstandsmitglieder, stellte der Verein schnell einen neuen Vorstand zusammen mit nicht-jüdischen Mitgliedern. Julie Wolfthorn trat 1933 aus dem Lyceum-Verein aus, weil dort auch unter kunstschaffenden Frauen der Antisemitismus um sich griff. 

Henni Lehmann nahm sich 1937 das Leben, im Alter von 75 Jahren, mittellos, ohne zu Essen zu haben. Eine Zeitlang steckten die Inselbewohner:innen der alten Frau noch heimlich Nahrung zu. Irgendwann kümmerte niemanden mehr das Schicksal der Tochter eines Berliner Stadtabgeordneten und Arztes, die Gründerin und Vorstandsmitglied des Hiddenseer Naturschutzvereins und der Genossenschaftsreederei gewesen war, die gegen Antisemitismus öffentlich sprach, neben der Malerei auch Romane schrieb und im Sommer exzentrische Malweiber um sich versammelte, die in der blau gestrichenen Scheune neben ihrem Landhaus Ausstellungen organisierten. Auch Käthe Kollwitz (1867-1945) stellte dort regelmässig aus. Das Landhaus von Henni Lehmann auf Hiddensee wurde 1937 von der Gemeinde umgebaut und bis 1991 als Rathaus genutzt. Seit 2000 ist es Haus des Gastes mit Bibliothek. Die Ältern vergassen oder waren gestorben. Die Jüngeren folgten der neuen Jugendkultur. Die Alten und ihre Werte waren den BDM-Mädels und Hitlerjungen nichts mehr Wert. Gute Kunst war, was der Führer als gute Kunst nannte. 

Das Berufsverbot von heute heisst Privatperson, also Verbot jeglicher Tätigkeit, die Einnahmen versprechen könnte. In diesem Jahr wurde die Erhebung der landwirtschaftlichen Strukturdaten aufgeteilt in zwei Gruppen, für die Landwirte, die Direktzahlungen beziehen und Privatpersonen und Landwirtschaftsbetriebe ohne Direktzahlungen. In der Schweiz ist die Agrarpolitik Bundespolitik. Bis 2012 wurde die Datenbank mit den amtlichen Daten beim Bund geführt. Die Ausdrucke, die man bestätigen mussten konnten nicht geändert werden konnten von den Behörden, wurden an die Gemeinde geschickt, Änderungen der Flächen und der Tierzahl musste man von Hand eintragen, dann kam noch einmal eine Bestätigung. Die Kantone haben die Aufgabe, die Direktzahlungen auszubezahlen. Kontrolle machten die jeweiligen Kontrolleure von Biolandbau, Integrierter Produktion oder Konventionell. Die Verwaltungsbeamten sind dafür weder ausgebildet noch zuständig. Die Begründung, weshalb ich ab 2020 keine Direktzahlungen mehr bekam, war ein Schreiben mit Folge E-Mails, indem ich zur kantonalen Umsetzung der Agrarpolitik warnte in einem Schreiben an den Regierungsrat, was ich früher auch immer machte, schliesslich war ich im Berufsverband, als Biokontrolleurin und Agrarjournalistin immer eingebunden in die Agrarpolitik. Ich zitierte dabei zwei Nobelpreisträger: John Steinbeck (1939) Früchte des Zorns und Friedrich August von Hayek (1944) Der Weg in die Knechtschaft. Herr Högger regte sich wahnsinnig auf, dass ich mit Nazis verglichen hätteobwohl das Schreiben gar nicht an ihn ging, sondern den zuständigen Regierungsrat. Einmal, als ich noch Schafe hatte, gab es schon einmal ein ähnliches Problem. Da kam ein Schreiben, ich dürfe wegen zu wenigen Standardarbeitskräften, die neu berechnet wurden, dass es weniger wurden, nur noch nichtzonenkonform wohnen. Auf die Frage, was dies bedeutete, bekam ich die Antwort, keine Schafe mehr halten, und zum Schreiben, eventuell einen Labtop für abends, aber keinen Desktop Computer, und wenn ich weiterhin Journalistin sein wolle, müsse ich ein Büro mieten, ebenso wie einen Tränkeautomaten für die kleinen Milchschaflämmer, weil andere müssten ja auch dafür so viel zahlen, wenn sie grosse Milchschafbetriebe haben. Das wäre unfair, wenn ich die kleinen Lämmer an der Mutter saugen liesse. Damals dachte ich noch, je blöder, umso verschuldeter. Nach Hinweis von mir auf die Finanzkrise 2008, war das mit dem nichtzonenkonformen Wohnen schneller weg, als ich mich umdrehen konnte. Ich wollte mich dann noch entschuldigen, weil ich das doch eher heftig geschrieben hatte. Die Leute vom Landwirtschaftsamt schauten mich daraufhin völlig entgeistert an und sagten:

"Frau Trauboth, Sie müssen sich doch nicht entschuldigen!"

Und jetzt? CDSe bei Credit Suisse (Griechenland, Spanien, Island-Bankentotalzusammenbruch lassen grüssen.) Was ist, wenn das jetzt hier Untergangsspekulanten aus Syrien sind, die zuerst zusammen mit ihren Financiers in wohlhabenderen undemokratischen Ländern, denen es zu langweilig geworden ist, mit deutschen Fussballclubs zu handeln, zum Spass einen kleinen Holocaust unter Schweizern organisieren wollen, und dann zuschauen, wie die Lawinen und Bergstürzen von den Alpen herunter kommen? Ist ja nur so eine alte Querulantin, soll auch noch jüdisch sein.

"Dann sind wir eh alle tot."

(Original von Keynes, dem Guru der Schuldenverteiler für gute Zwecke: "In the long run, we are all dead.") 




Noch einmal: In allen Jurisdictionen auf der Welt ist die sogenannte Zerlumpung strengstens verboten, auch wenn die Grundrechte nicht in der Verfassung stehen, wie in den USA. Es ist Fake News, dass Private Equitiy Firmen einer jungen Therapeutin für Behinderte ein Berufsverbot erteilen können, und ein Gericht sie dafür sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilen will, weil sie ihren Beruf ausübt und ihre Patienten weiter betreut. Im Zweiten Weltkrieg war der amerikanische Geheimdienst OSS der einzige offizielle Geheimdienst, der sich damals schon gegen solche Machenschaften stellte. 







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