Linolschnitt

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Wednesday, November 22, 2023

'Eine Zukunft für die Vergangenheit' - Sammlung E.G. Bührle im Kontext

Entrüstung über Kunst und Moral

E.G. Bührle, der Rüstungsindustrielle und Kunsthistoriker - Perspektiven der Verteidigung.

Eingang der Ausstellung Sammlung Bührle mit Bild La Petite Irène, 1880 gemalt von Pierre-August Renoir (1841-1919), Portrait der 8-jährigen Irène Cahen d'Anvers, Mutter der Besitzerin des Bildes Béatrice Reinach, ermordet 1945 in Ausschwitz

Die Ausstellung Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle: Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt, will laut Pressetext des Kunsthauses Zürich, verschiedene Perspektiven von Geschichte vermitteln. Zum industriell organisierten Genozid des NS-Terror-Regimes gibt es nur eine Moral: Nie wieder! Die Schweiz hat im Zweiten Weltkrieg Land und Demokratie erfolgreich verteidigt. Massgebend dabei, bewaffnete Neutralität mit eigener Rüstungsproduktion, wirtschaftliche Eigenständigkeit, militärische und geistige Landesverteidigung. Gegenwart und Zukunft sind beeinflusst von der Vergangenheit, aus der man lernen sollte. Das Porträt von Emil Bührle, das der NS-Gegner, als entartet diffamierte Oskar Kokoschka 1952 malte, gehört unbedingt in eine Ausstellung, die sich mit dem historischen Kontext befasst, mit den Verstrickungen und Widersprüchen von Rüstungsindustrie und Kunst in der NS-Zeit. 



Die Sammlung Bührle enthält bedeutende, wegweisende Werke Kunstgeschichte. Sofern sie in einer öffentlichen Institution sind, müssen sie entsprechend präsentiert werden. Die Werke in der Sammlung Bührle sind heute besonders geeignet, um Menschen an die Kunst heran zu führen. Ich habe den Katalog zur Cezanne-Ausstellung in Tübingen von 1993, mit Rezeptionsgeschichte von Walter Feilchenfeldt junior, dessen Vater Walter Feilchenfeldt senior in der gegenwärtigen Ausstellung zur Sammlung Bührle in Zürich eine Station gewidment ist. Ich habe die Cezanne-Ausstellung 1993 nicht gesehen, weil meine Tübinger Verwandte, mit der ich gehen wollte, mich anrief, und sagte, ich solle besser nicht kommen, weil die Besucherinnen und Besucher schon in der Nacht um drei Uhr sich vor dem Einlass in Schlange stellten, um noch in das Besucherkontingent eingeteilt zu werden für den nächsten Tag.  

Erstpräsentation 2021


Ich war in der ersten Bührle Ausstellung 2021 an einem Tag mit vielen Besucher:innen. Ich sah ganz viele gewöhnliche Menschen, die man in Kunstausstellungen sonst nicht sieht. Fremde sprachen mit einander über Gemälde und Kunstgeschichte. Sie fotografierten sich gegenseitig vor Bildern, und fanden es einfach toll. Am Abend konnten sie wahrscheinlich ungeachtet ihrer Alltagsprobleme gelöst und in guten Gedanken einschlafen. Weder sollte man jemandem vorschreiben, dass er sich mit dem komplexen Thema Zweiter Weltkrieg befassen muss, wenn er eine Ausstellung mit Kunstwerken ansehen will, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte vor der NS-Diktatur geschaffen wurden, noch wer sich dafür interessiert, lange in Amtsdeutsch geschriebene Texte zumuten, die die Geschichte falsch und einseitig wieder geben, insbesondere, wenn es um die sehr ernsten Themen Nationalsozialismus, Shoah und der Position der neutralen Schweiz im Zweiten Weltkrieg geht. 

Die Neupräsentation der Sammlung Bührle, unter der Federführung der seit einem Jahr amtenden Direktorin des Kunsthauses Zürich, Ann Demeester, will mit einer Veranstaltungsreihe Das Kunsthaus hört zu und mit moderner, digitaler und interaktiven Museumspädagogik dem Publikum Gelegenheit geben, seine Meinung zu äussern. Bei der Vorbesichtigung für die Presse war bereits eine solche persönliche Stellungnahme an die Wand projiziert. Hier meine Übersetzung aus dem Englischen:


"Meine Grossmutter überlebte die Shoah. Ich wünsche mir, dass ich ihr die Kindheit zurück geben könnte und die Menschen, die sie geliebt haben, anstelle einer 'Ausstellung mit Kontext'. Wir sollten nachdenken über die ethischen Herausforderungen von heute, und handeln, bevor es zu spät ist."


E.G. Bührle (1890-1956) hatte ein abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte, war Veteran des Ersten Weltkriegs und Rüstungsindustrieller, in einer Zeit, in der es galt, die Demokratie zu verteidigen, auch mit Waffengewalt und subversivem Widerstand gegen NS-Terror, zum Schutz von Verfolgten. Künstler schaffen Kunst. Sie ist oft der Gesellschaft voraus, in Malweise, wie Aussage und deswegen umstritten. Künstler konnten oft nicht von ihrem Malen leben, trotz ihrer ausserordentliche Fähigkeiten, die sie sich erarbeiten mussten. Noch bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften Maler, Musiker und Schriftsteller dafür, dass ihre Arbeit und Werke überhaupt bezahlt wurde und für ihr Urheberrecht.  Ich wünsche mir eine normale Ausstellung der Bilder der Sammlung Bührle, von professionellen Kunstsachverständigen kuriert, keine Präsentation. Viele Bilder der Sammlung E.G. Bührle sind weltbekannt. Der Schwerpunkt ist auf der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, deren Werke lange vor dem Nationalsozialismus entstanden sind. Werke, die einen Bezug haben zu verfolgten Künstlern und jüdischen Kunstsammlern in der Zeit des Nationalsozialismus, fehlen in dieser Ausstellung. Auch fehlt der Hinweis, dass die moderne französische Kunst, die Bührle bevorzugt sammelte, von deutschen Künstlern und Kunstkritiker dieser Zeit als undeutsch diffamiert wurde. Unter einem Aufruf, der aufforderte, französische Kunst nicht zu kaufen, setzte auch der Schweizer Giovanni Giacometti (1868-1933), Vater von Alberto Giacometti (1901-1966), seine Unterschrift.

Oskar Kokoschka,  Aktivist gegen die NS-Diktatur malt Emil Bührle


Es findet sich in der Sammlung Bührle ein Porträt Emil Bührles von Oskar Kokoschka (1886-1980). Nationalsozialisten diffamierten den Maler des Expressionismus und seine Werke als entartete Kunst, nahmen die von ihm farbig und mit breitem Strich gemalten Bilder aus aus den Museen, konfiszierten über 400 von ihnen, zerstörten welche davon demonstrativ, so wie sie Bücher verbrannten. Oskar Kokoschka hat nie ein Bild in der Not verkauft. Noch 1937 gründete er in Prag einen Verein, der offen gegen die Nazi-Ideologie auftrat, spendete für die Rote Hilfe, die Notleidende und Verfolgte unterstützte. Ab 1938 war Kokoschka in London. Dort malte er weiter, spendete den Erlös von verkauften Bildern dem österreichischen Widerstand Free Austrian Movement, das unter kommunistischer Führung war, an der sich auch liberale, konservative und Monarchisten beteiligten. Österreichische Exilanten kämpften in britischen Armeeeinheiten, arbeiteten in Rüstungsbetrieben. Die alliierten, die im Zweiten Weltkrieg gegen NS-Deutschland kämpften und es samt seinem Terror besiegten, produzierten und setzten Rüstungsgüter der Maschinenfabrik Oerlikon ein. Sie zahlten aber keine Lizenzen. Viele Sozialdemokraten, Juden und Jüdinnen, die nach England geflüchtet waren, standen unter dem Eindruck des Anschlusses und der Reichsprogrom-Nacht 1938, als der aufgehetzte Pöbel sich gegen sie wandte. Sie waren nicht bereit für eine neue österreichische Republik zu kämpfen, sondern wandten sich dem Zionismus zu. Kokoschka war auch nach dem Krieg niemand, der Gefälligkeitsmalerei nötig hatte. Bührle porträtierte er 1952 und liess sich 1953 am Genfer See in der Schweiz nieder, wo er bis zu seinem Tod 1980 blieb. Seine Wittwe gründete eine Stiftung, die bis heute besteht. Es wäre sehr einfach gewesen, eine gute Ausstellung zu den wahren Zusammenhängen des Kunsthaus Zürich, Krieg, Sammlertätigkeit und Waffenproduktion in der Schweiz während des Nationalsozialismus in Deutschland zu machen. Die erste Hälfte des 20. Jahrhundert war geprägt von schweren Wirtschaftskrisen, Gewalt, Hunger, Tod, und dem Kampf für und gegen die Demokratie. Letzterer ist in Deutschland verloren gegangen, nicht in der Schweiz. 

Ende des Ersten Weltkrieg ohne Frieden - Putschisten gegen Demokraten


Als der Erste Weltkrieg aufhörte, war Chaos. Manche Experten sagen, das Ende sei der Spanischen Grippe geschuldet, durch amerikanische Truppentransporten eingeschleppt, dass so viele Soldaten auf beiden Seiten siechten und starben, dass kein Kampf mehr möglich war. Frauen und Kinder verhungern wegen der britischen Seeblockade, in Deutschland und Frankreich. In Kiel meuterten Matrosen. Massen demonstrierten, Soldaten wussten nicht wohin. Es war Umsturzstimmung. Das deutsche Kaiserreich hatte ein Parlament gehabt, den Reichstag, der die Regierung beriet. Er wurde in einem Drei-Klassen-System gewählt, wobei viele gar kein Wahlrecht hatten. Im Reichstag des Kaiserreichs vor dem Ersten Weltkrieg, stellten die Sozialdemokraten immer die Mehrheit der Abgeordneten. Die Liberalen unterstützten den Kanzler, die Konservativen verteidigten christliche Werte, andere vertraten partikulare Interessen. Die deutsche Variante von Demokratie war die der bürgerlichen Revolution von 1848, mit provisorischem Parlamentsversammlung in der Frankfurter Paulskirche und Verfassung. Sie war blutig nieder geschlagen worden. Die bestehenden Demokratien nach dem Ersten Weltkrieg erfüllten nicht die Anforderungen der deutschen Demokraten und sie waren diejenigen der Siegermächte, die Deutschland die eigenen Kriegsschulden aufbürden wollten.  Negativ angesehen wurden die Wahlkämpfe, die Wahl von Interessenvertretern, Macht- und Geldmenschen, von solchen, die nur die meisten Stimmen wollten. Selbst der Begriff Republik war negativ besetzt, wegen dem Zitat aus dem Roman Raubmenschen, das ich im Blogpost mit gleichem Titel eingefügt habe. Schon 1908 war eine Wirtschaftskrise derselben Sorte wie 1929 von Amerika kommend über Deutschland herein gebrochen, mit vielen Pleiten, Selbstmorden, Arbeitslosen und Not. Der Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946), der den Versailler Friedensverhandlungen beiwohnte, schrieb ein Buch darüber, in dem er die verhandelnden Politiker mit Schimpfwörter belegte. Frankreich, Grossbritannien und Italien waren vor allem darum bemüht, sich gegenseitig Kolonien und Gebiete zu zuschachern, die den untergegangenen Verlierer-Imperien Österreich-Ungaren, dem Osmanischen Reich und dem Zarenreich Russland gehört hatten, und sie wollten bei ihren eigenen Bevölkerungen auftrumpfen für Wählerstimmen bei der nächsten Wahl. Die wollten, dass die Deutschen bezahlen sollte für den Krieg, der ihnen solche Not gebracht hat. 

Kriegsschulden


Kanzler Max von Baden setzte Kaiser Wilhelm II ab, sagte Friedrich Ebert (1871-1925) von den Sozialdemokraten, er sei nun Kanzler. Von Baden und viele andere, hofften auf den Friedensplan des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (1856-1924). Der 14-Punkte Friedensplan, den der amerikanische Präsident vorgeschlagen hatte, hätte Deutschland nicht die Kriegsschulden von allen und Reparaturzahlungen in dem Ausmass aufgebürdet. Wilson war vor seiner Wahl zum Präsidenten der USA Universitätsprofessor gewesen und wurde im eigenen Land wie von den anderen Siegermächten nicht Ernst genommen. Die Deutschen hofften aber dennoch auf einen Wilson-Frieden, zumal den Gebildeteren mit Kenntnissen in Wirtschaft, bewusst war, dass, wenn Deutschland solche enormen Schulden abzahlen sollte, sie eine gute Industrie und Export bräuchten, für Steuereinnahmen. Dann wäre die französische Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen. Wilson machte auch den Vorschlag für den Völkerbund, dem die USA nicht beitraten.

Der Erste Weltkrieg war der erste moderne konventionelle Krieg, der mit massiven Schulden und Eingriffen des Staates in die Wirtschaft einher ging. Die Kosten, die Notwendigkeit, Bomben, Flugzeuge, Panzer und Munition herzustellen im Kriegsverlauf, war von allen kriegsführenden Ländern falsch eingeschätzt worden. Wer einen modernen, konventionellen Krieg führt, um zu gewinnen, der braucht einen Verlierer, für die Bezahlung der Rechnung. Wilson wollte nur mit einer demokratischen deutschen Regierung Verhandlungen führen. Deshalb wollte die Mehrzahl der Deutschen eine Demokratie, auch weil der letzte Kaiser als Kriegstreiber und Militarist verschrien war. Sie wussten nur nicht welche Form von Demokratie und wie. Auch Preussen war unbeliebt, nicht nur in Bayern. Die Alliierten waren bei den USA verschuldet. Deutschland hatte in der eigenen Bevölkerung Kriegsanleihen ausgegeben. Die amerikanischen Geldgeber kamen erst später auf den Plan. Die USA waren vor dem Ersten Weltkrieg selbst verschuldet bei anderen, also Nettoschuldner, danach grösster Gläubiger weltweit. 

Ebert zögerte, Philipp Scheidemann (1865-1939) rief die Republik aus. Bei der politisch aktiven Arbeiterschaft waren die Sozialdemokraten nicht überall beliebt, da die SPD für den Krieg und Kriegskredite gestimmt hatten. Es gab  zudem keine Vorbilder für Demokratie. Der Begriff Republik war mit dem Cowboy-Kapitalismus in den USA verbunden. Unter den Arbeitern wollte ein Teil der Kommunisten gar keine Demokratie, sondern Diktatur des Proletariats. Die anderen konnten sich nicht entscheiden zwischen Räterepublik und parlamentarischer Demokratie. Viele gaben der Räterepublik den Vortritt, auch Bürgerliche. Niemand wusste, wie Demokratie geht. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich die SPD aufgeteilt in MSPD (Mehrheits-SPD) und USPD (Unabhängige SPD). Letztere waren gegen den Kriegseintritt gewesen. Schlussendlich bildeten sich überall Arbeiter- und Soldatenräte, vor allem Linke gründeten neue Parteien.

Ende des Ersten Weltkriegs ohne Frieden - Militaristen gegen Republikaner


Es war kein Plan da, wie es weiter gehen sollte auf dem Weg zur Demokratie. Der Erste Weltkrieg, Hauptursache für den späteren Holocaust, war ein Desaster, dass sich niemand vorgestellt hatte, mit modernen Waffen, moderner Logistik. Giftgas, Stellungskrieg auf den Schlachtfeldern, Wirtschaftsschlacht für den Nachschub des tödlichen Waffenarsenals, bezahlt mit Schulden, Zwangsarbeit begründet durch Patriotismus, Hunger bei der Zivilbevölkerung. Fast jeder hatte Väter und Söhne, viele von der Schulbank weg in den Krieg getrieben, verloren. Wegen der neuen Waffen, auch Giftgas, das die eigenen Soldaten verunstellte und tötete, kamen viele überlebende Soldaten entstellt und verkrüppelt, notdürftig versorgt aus den Lazaretten. Die politisch Aktiven waren in den Städten, vor allem die Industriearbeiter. Auf dem Land war man nicht an Politik interessiert, wählte konservativ. Die Kämpfe waren zu Ende, aber kein Frieden. Die erschöpfte Armee löste sich nicht ordentlich auf. Viele Soldaten wussten nicht wohin. Die Einen desertierten und entwickelten Revolutionswut. Offiziere und Berufssoldaten, vom militärischen Ideal indoktrinierte Freiwillige, fühlten sich gedemütigt, akzeptierten die militärische Niederlage nicht, richtete ihren Kampf gegen die eigene Bevölkerung, gegen Arbeiter und vermeintliche und echte Revolutionäre. Unter ihnen verbreitete sich die Dolchstosslegende, dass Bolschewisten und Juden an der Heimatfront Verrat geübt zu haben. 

Bürgerwehren - Die Furcht vor dem Putsch durch Militaristen


Die Furcht vor den Militaristen, einem Putsch war wesentlich grösser als vor der Revolution nach dem Vorbild der Sowjetunion. Das Geschehen in Russland war weit weg. Auch im Militär selbst war diese Spaltung, in solche Offiziere und Soldaten, die das alte System wollten und auch den Krieg weiter führen, und solchen, die einer neuen, demokratischen Ordnung dienen wollten. In München gab es keine Polizei, nur Schutzmänner, die den Verkehr regelten, Besoffene in die Ausnüchterungszelle steckten, Diebe festhielten. Im Dokumentationsraum der ersten Ausstellung der Sammlung E.G. Bührle 2021 stand, dass Bührle in der Bürgerwehr in Magdeburg mitwirkte. Die Bürgerwehren waren Veteranen des Ersten Weltkriegs, mit militärischer Ausbildung, die sich gegen die marodierenden Armeeeinheiten wandten, sie entwaffneten. Die Bürgerwehren sind nicht zu verwechseln mit den rechten, undemokratischen Freikorps. Es ist aber durchaus möglich, dass einzelne Kommandanten das verwechselten, und sich Freikorps nannten. Die Burschenschaften, Studentenverbindungen, waren 1848 federführend in der bürgerlichen Revolution gewesen. Später waren sie Rechtsnational, insbesondere die schlagenden Verbindungen. Dass sich politische Gruppierungen über den Generationenwechsel in Werten und Programatik ändern können, sieht man an den heutigen Grünen in Deutschland. Ihre Wähler entstammen ganz anderen sozialen Schichten heute, wie in ihren Anfangszeiten, Anfang der 1980er Jahren. Heute wählt die besser verdienende Mittelschicht grün. Sie meinen, den Klimawandel bekämpfen zu können mit Staatsausgaben und Interventionen, ohne überhaupt festzulegen, was mit den dafür aufgenommenen Schulden gemacht werden soll. In der Dokumentation der ersten Ausstellung ab 2021 der Sammlung Bührle im Chipperfield-Bau, stand, Bührle sei mit seiner Einheit in Magdeburg geblieben, einquartiert im Haus seines späteren Schwiegervaters, einem Bankier. Es ist absolut unglaubwürdig, dass er, der eigentlich nach dem Krieg seine Dissertation in Kunstgeschichte fertig schreiben wollte, mit der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht etwas zu tun gehabt haben soll. Das ist vollkommen absurd. Die historische Aufarbeitung der schweren gesellschaftlichen Verwerfungen am Ende des Ersten Weltkriegs ist längstens erfolgt und sprengt den Rahmen dieser Abhandlung im Zusammenhang einer Kunstausstellung in der heutigen Zeit. 

Die Sozialdemokraten riefen das Militär gegen Unruhen


Ebert hatte den Posten als Kanzler oder Ministerpräsidenten auch deshalb abgelehnt, weil er eine Position suchte, wo er eine Aufgabe haben würde, bei der er alle politischen Gruppierungen vertreten und miteinbeziehen konnte. Deshalb wurde er dann zum Reichspräsidenten. Seine grössten Unterstützer waren die Soldaten, solche, die im Frieden davor Arbeiter, Handwerker und kleine Leute gewesen waren, nicht die aus der prekär lebenden Unterschicht, wie der spätere NS-Diktator Adolf Hitler (1889-1945), ein verhinderter Kunstmaler, der zeitweise im Obdachlosenasyl gelebt hatte, und nicht wusste wohin ohne Militär. Ebert wusste, dass er auf die Soldaten zählen konnte, soll aber, um den Traumatisierten, Kriegsmüden Mut zu machen, dass es nicht sie gewesen seien, die den Krieg verloren hatten, möglicherweise selbst der Dolchstosslegende Vorschub gegeben haben. Professionelle Kommunikationsratgeber gab es auch noch nicht für etablierte demokratische Regierungen, im Gegensatz zu den antidemokratischen Kräften, hinter denen Wirtschaftsmächte standen, die sich sogar Zeitungen kaufen konnten.

Die Sozialdemokratische Regierung rief schliesslich die Reichswehr zur Beendigung von Unruhen, wozu auch der sogenannte Aufstand der Spartakisten gehörte. Einheiten, gingen aus Wut über den verlorenen Krieg eigene Bevölkerung los. Dass es gegen revolutionäre Linke, Bolschewiken gehen soll, war ein Vorwand. Das ist Verhalten, das bei einem verlorenen Krieg mit Wehrpflichtigen, die keine richtige militärische Ausbildung haben, von Offizieren, die auf Kadavergehorsam und Drill setzen, die Demokratie verhindern wollen, normal. eine Rolle spielte dabei wahrscheinlich auch, dass das Kaiserreich seine Rüstungswirtschaft unter anderem mit Kriegsanleihen finanzierte. Wer solche kaufte, wettete auf den Sieg. Das ist zudem auch ein Feld für unseriöse Finanziers und Geschäftemacher, die unkundige Menschen, oder solche in finanzieller Not, dazu bewegen, mit geliehenem Geld spekulative Geldanlagen für Waffenkäufe zu tätigen. Nach dem verlorenen Krieg waren sie nichts mehr wert. Viele verloren so ihr ganzes Vermögen. In München flüchteten politisch Aktive aufs Land. Zehn Spartakisten flohen ins Kloster Schäftlarn, südlich von München. Die Bürgerwehr stellte sich entgegen, überredeten und entwaffneten einen Teil, andere umgingen die Stadt, drangen in Schäftlarn ins Kloster ein, erschossen einen der zehn unbewaffneten Arbeiterführer, nahmen die anderen neun mit und erschossen sie woanders.

Bürgerwehren, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold für Demokratie


Nach dem Schwarzen Jahr 1923 mit Hyperinflation, Ruhrgebietsbesetzung, Hunger, Unruhen, Kapp Putsch von Rechts, gründeten 1924 in Magdeburg Mitglieder der regierenden Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen, den Verband der Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg zur Verteidigung der Weimarer Republik, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Schwarz-Rot-Gold war die Fahne der sogenannten bürgerlichen Revolution von 1848 mit Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war der Zusammenschluss von lokalen Bürgerwehren. Der Veteranenverein wollte selbst keinen bewaffneten Kampf führen, im Gegensatz zu anderen republikanischen Schutzbunden, die es auch gab, die bereit waren, auch mit Waffengewalt die Demokratie zu verteidigen.

Im selben Jahr, auch in Magdeburg gründeten die Rechten, undemokratischen Kräfte, auch einen Verband der Freikorps. Dass Emil Bührle bei diesen Mitglied gewesen sein soll, leuchtet mir nicht ein. Das waren paramilitärische Schläger, am Bekanntesten die SA der NSDAP. Die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold wollte nicht mit Waffengewalt kämpfen, sondern vor allem mit Information, politischer Arbeit für die Demokratie eintreten. Ihre Organisation war militärisch, wie auch die Arbeitslosen Truppen, in Franklin D. Roosevelts New Deal, die in den Nationalparks Touristencamps bauten, die Staudämme der Tennessee Valley Authority (TVA). Ich bin neben einem solchen aufgewachsen, dem Monte Sano State Park. Die Menschen, die die schlimmen wirtschaftlichen Zeiten erlebt hatten, erzählten in meiner Kindheit davon, waren noch bis ins hohe Alter dankbar. Es ist schwierig nach einem modernen Krieg die vielen heimkehrenden Soldaten in die Gesellschaft einzugliedern. Die Mehrheit ist traumatisiert, viele haben auch äussere Wunden. Wehrpflichtige und Freiwillige wurden von der Schulbank, von der Ausbildung weg geholt. Ihnen gibt die militärische Organisation, Hierarchie eine Stütze.

Neben den Veteranenverein gab es auch Schutzbunde, die bereit waren, den Kampf aufzunehmen gegen die Gegner der Demokratie. Für sie errichtete die NS-Diktatur nach der Machtergreifung 1933 das KZ Dachau und andere KZs, wo sie zusammen mit anderen politischen Gegnern erschossen wurden, wie ein Jahr später 1934 die eigene Schlägertruppe SA der NSDAP, zusammen mit Sympathisanten der Strömung innerhalb der frühen NSDAP, die Anliegen der Arbeiterschaft vertraten. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wurde 1953 neu gegründet. Emil Bührle hatte 1924 den Auftrag, die sogenannte Becker Kanone, die auf Flugzeugen montiert war zur Fliegerabwehrkanone umzubauen. Eine solche ist für die Verteidigung. Nach dem Ersten Weltkrieg waren drei Imperien zusammen gefallen, die Grenzen neu gezogen. Teile von Deutschland, in denen Deutsche lebten, gehörten zu anderen Ländern, zum Beispiel zu Polen. 20 Prozent der Industrieleistung Deutschlands vor dem Krieg lagen im Ausland. Gleichzeitig sollte Deutschland die Kriegsschulden von Gross Britannien und Frankreich bezahlen. Selbst der Demokrat Gustav Stresemann (1878-1929) schrieb in einem Brief, dass Deutschland einen Teil dieser Gebiete zurück holen sollte. Die Wiederaufrüstung zwischen den beiden Weltkriegen war nicht verdeckt. Britische und französische Dienste, die überwachen sollten, dass Deutschland sich nicht wieder aufrüstete, schauten zu.


Emil Bührle der Kunsthistoriker und Rüstungsindustrieller



E.G. Bührle (1890-1956) hatte ein abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte, war Veteran des Ersten Weltkriegs und Rüstungsindustrieller, in einer Zeit, in der es galt, die Demokratie zu verteidigen, auch mit Waffengewalt und subversivem Widerstand gegen NS-Terror, zum Schutz von Verfolgten. Der Widerstand gegen das NS-Regime in der deutschen Nachkriegszeit wurde unter den Tisch gekehrt und sogar verfolgt. Erstens ging die sogenannte Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sonderlich weit. Antisemitismus und NS-Ideologie blieben, was in Kauf genommen wurde von den Siegermächten, weil der Versailler Friedensvertrag nicht wiederholt werden sollte. Deutschland bekam den Marschallplan und das Grundgesetz. Mit Umschulung, Erziehung der nächsten Generation, guten wirtschaftlichen Bedingungen, sollte die Ideologie, der Antisemitismus in ein bis zwei Generationen von alleine verschwinden. Dass Menschen den Verfolgten Schutz gaben, sie bei sich aufnahmen, zur Flucht verhalfen, stand gegen die allgemein verbreitete Rechtfertigung, dass man ja nichts tun konnte, selbst verfolgt würde, man nichts gewusst habe, alle zusammen schuldig seien. Letzteres ist es das, was die Nationalsozialisten wollten, damit sie so viel Unheil und Verbrechen anrichten konnten, alle miteinzubinden in ihre Verbrechen, die Saat sähen für später, den Hass der Schuldabweisung, wie er nun wieder da ist. 

Tendenziöses Werk - Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus (2021)


Schwierige Zeiten und Krieg führen zu gesellschaftlicher Veränderung, die eine erfolgreiche Minderheit zum Sündenbock macht. Zu einer solchen Minderheit zählen die Macher der Neupräsentation offenbar auch den 1956 verstorbenen Schweizer Rüstungsindustriellen, studierten Kunsthistoriker und Sammler E.G. Bührle. Das zur Ausstellung empfohlene Werk Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus. Die Entstehung der Sammlung Emil Bührle im historischen Kontext (2021), für das der Historiker Mathieu Leimgruber die Verantwortung übernimmt, das aber von mehreren Autoren stammt, enthält viele interessante Details zu den Verflechtungen der Schweizer Rüstungsindustrie und zur Biografie des Mannes, der eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt in Zürich über Jahrzehnte durch Leihgaben und jetzt in einem eigens gebauten Museum der Öffentlichkeit zugänglich machte. Die zeitgeschichtlichen Umstände werden aber ausgesprochen tendenziös interpretiert und gewertet. Das Buch ist mit haarsträubenden Unwahrheiten gespickt, insbesondere, was die Ökonomie angeht. Vorträge für ein Fachpublikum werden wie Stammtischpolitik interpretiert auf der Grundlage der eigenen Beschränktheit. Grundlagen der Ökonomie, die an Universitäten gelehrt werden zu rechtsextremem Gedankengut degradiert, der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899-1992) und der Mitbegründer der Sozialen Marktwirtschaft und Universitätsprofessor Wilhelm Roepke (1899-1966) diffamiert, wie wenn sie Netzwerker des Bösen gewesen wären. Beide waren Zeit ihres Lebens starke Kritiker der Nationalsozialisten. Röpke kritisierte noch 1933 öffentlich, verteilte Flugblätter und floh im selben Jahr aus Deutschland. Von Hayek war damals schon in London. Sein 1944 geschriebenes Buch  Der Weg in die Knechtschaft von 1944 enthält aus meiner Sicht, als studierte Agrarökonomin, die verständlichsten Erklärungen für das Aufkommen des Nationalsozialismus. Hauptursachen für die Shoah lagen im:

  • Ersten Weltkrieg und den dadurch verursachten wirtschaftlichen und politischen Krisen, in geringerem Mass:
  • Zwist, Gewalt und Antisemitismus in der Arbeiterbewegung (siehe O. Kistenmacher (2010) Vom Judenkapital zur jüdisch-faschistischen Legion in Jerusalem. Zur Entwicklung des Antizionismus in der Kommunistischen Partei Deutschlands.)

Geldwäsche für Nazi-Deutschland durch Schweizer Kunsthändler


Emil Bührle kaufte mehrere Werke vom damals grösstem Auktionshaus für Kunst des Kunsthändlers Theodor Fischer. Dieser versteigerte auch Werke der von den Nazis verfemten modernen Bilder zeitgenössischer Künstler, aus der Ausstellung Entartete Kunst, die 1937 in den Münchner Hofgarten-Arkaden gezeigt wurde, dann als Wanderausstellung durch Deutschland zog. Sehr viele an Kunst interessierte Menschen sahen sich damals diese Ausstellung an, bei der die Begleittexte von antisemitischer und antimoderner Hetze strotzten. Viele der Besucher kamen aber, weil sie die von den Nationalsozialisten geächteten Künstler und ihre Werke schätzten und dachten, das sei das letzte Mal, dass man diese Kunst noch sehen konnte. Die Werke der NS-Ausstellung Entartete Kunst von 1937 waren aus deutschen Museen entwendet worden, sodass die heute hochgeschätzten Bilder der deutschen Expressionisten, Surrealisten, der klassischen Moderne einschliesslich ihrer verfemten und verfolgten Künstler drohten unterzugehen. Das Auktionshaus Theodor Fischer soll notorisch für unseriöse Kunstgeschäfte gewesen sein (Dominik, 2017). Es war allerdings auch das Narrativ der nationalsozialistischen Hetze, dass der Kunsthandel insgesamt ein Hort von Spekulation gewesen sein soll, weil viele Kunsthändler und Galeriebesitzer jüdischer Herkunft waren.  Ein Kunstwerk zu verkaufen war in dieser Zeit jedenfalls schwierig, wie ich im vorherigen Artikel schon geschrieben habe. Das ist auch heute noch so. Der seit 2021 amtierende Präsident der Stiftung Bührle, der Rechtsanwalt Alexander Jolles, Rechtsexperte für Kunst, sagt 2016 in einem Interview mit der Schweizer Weltwoche:

"Kunst verkaufen ist schwer."

Der Verkauf eines Kunstwerks war vielleicht die letzte Möglichkeit, den Lebensunterhalt, die Fahrkarte und Einreisebedingungen in ein freies Land zu erkaufen, oder andere zu unterstützen, wie dies die jüdischen Organisationen taten. Jüdische Künstler waren bereits ab 1933 ausgeschlossen von jeglichem Broterwerb. Die Jüdische Gemeinde Berlin gründeten deshalb 1933 das Jüdische Museum in Berlin, um ihnen Ausstellungsmöglichkeiten zu bieten, und kaufte Werke von ihnen ab. Die jüdische Kultur ist eine Kultur des Zusammenhalts. Es gab auch Kunstsammler in Deutschland, die alte, wertvolle Gemälde, die dem Geschmack der NS-Grössen entsprachen, eintauschten für Werke der klassischen Moderne, um sie zu retten. Zu den Lebensbedingungen der Verfolgten in Deutschland und der Schweiz, habe ich im vorherigen Blogpost schon geschrieben.

Wie jemand auf die Anmassung kommen kann, dass die Kunstwerke aus der Sammlung Gurrit, die das Kunstmuseum Bern geerbt hat, versteigert werden sollen, und der Erlös der jüdischen Gemeinde vermacht, wie im erwähnten Artikel von 2016 der Weltwoche vermeldet, ist mir ein Rätsel. Welcher jüdischen Gemeinde? Die meisten Ermordeten waren aus Osteuropa und hinterliessen gar keine Nachkommen, waren arm und hatten keine wertvollen Gemälde zu verkaufen. Viele Nachkommen wissen nicht, dass sie Nachkommen sind und sind nicht jüdisch. Der Zugriff auf mein Vermögen war restlos. Nichts stammte von Opfern des Nationalsozialismus. Alles aus nach dem Zweiten Weltkrieg Erwirtschaftetem und Versteuertem. Die Begründungen dafür waren nationalsozialistische und antisemitische Hetze. Dabei kamen in den letzten fünf Jahren per Post, per E-Mail und durch unsichtbare Hausfriedensbrecher in meine Ordner, Belege für die neuesten Produkte der Finanzkriminalität, von Cum-Cum bis Wealth Management Products, also versteckte Schulden von Banken in Immobiliengeschäften. Cum-Ex war da schon aufgeflogen. Der Wirecard Skandal versprach, dass das Verlorene den Anlegern nicht zurück gegeben werden muss, sofern es durch kriminelle Aktivitäten verloren ging. Der Zugriff auf Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, wurde allerdings auch versucht.  Sie hingen im Wohnzimmer meiner Kindheit. Die Vorfahren haben sie soviel ich weiss, direkt von den Künstlern bezogen, mit denen sie befreundet waren. Anderen haben Behörden, wie mir gesagt wurde, genommen, um zu prüfen, ob sie von Juden gestohlen worden waren. Ausserdem geht es hier um Schulden aus den besagten, dubiosen Geschäften der Finanzindustrie, aus der Corona-Zeit, im Falle des Kunsthauses Zürich, würde ich vermuten, von den schuldenträchtigen Übernahmeschlachten der heutigen Firma Oerlikon in den 2000er Jahren. Die Bemühungen mir selbst falsche Schulden anzuhängen mittels gefälschter Dokumente, die in meinen Unterlagen auftauchten, waren im Übrigen amerikanisch, von Krankenhausrechnungen meiner vor fast vierzig Jahren verstorbener Mutter, wie wenn sie nicht krankenversichert gewesen wäre, über die Schulden von Ovomaltine, die von der Firma erfunden wurde, in der mein Grossvater angestellt war. Lustig ist das nicht, und erst Recht kein Grund, um als Staatsverräterin verfolgt zu werden, und noch andere dazu einzuladen, indem meine Daten in die Welt hinaus geschickt werden. 

Ich habe Grund anzunehmen, dass den jüdischen Geflüchteten in der Schweiz damals dasselbe passierte wie mir. Wer ich bin und womit und wie man mich ausrauben konnte, kann nur aus alten Nazi-Akten in der Schweiz gekommen sein. Es ist ein Unterschied, ob jemand möglicherweise weniger zahlt, wie auf dem Markt zu erzielen wäre, oder der Verkäufer ohne Notsituation ein Gemälde nicht verkaufen würde, oder, ob man jemanden über Jahre durch betrügerische, bedrohliche Wegnahme von allem, womit er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, in die Lage versetzt, dass er nichts mehr hat, sich nicht mehr wehren kann, ihm nur der Selbstmord als Ausweg gelassen wird. In der Schweiz war im Übrigen die grosse Krise im Ersten Weltkrieg und da wurden auch die grossen Kriegsgewinne erzielt, durch spekulative Geschäfte mit Kriegsanleihen, Finanzierung von Rüstungsgüter in Deutschland. Beispielsweise organisierten Schweizer Financiers die Lieferung für Bauxit für die den Alliierten überlegenen Dornier Flugzeuge, die aus geformtem Aluminium bestanden. Die Schweizer Bevölkerung hungerte, weil die Landwirtschaft vor dem Ersten Weltkrieg auf Milchwirtschaft für den Käse-Export umgestellt worden war, Äcker mit Gras angesät für Heu und Weide. Es war kurz davor, dass die Behinderten und Kranken in den Anstalten als überflüssige Esser angesehen worden war. Es gab einen Generalstreik, bei dem Frauen und Arbeiter auf die Strasse gingen, weil sie sich nichts mehr zum Essen kaufen konnten. Die Schweiz hatte bis zum Zweiten Weltkrieg daraus gelernt. 

La Petit Irène (1880) von Pierre-August Renoir, Sammlung E.G. Bührle, Kunsthaus Zürich




Über das Gemälde La Pétit Irène schreibt ein Journalist nun nach den öffentlichen Debatten um Raubkunst und die Geschichte der Shoah dahinter, sich aus seiner Sicht das Bild selbst verändert hat und morbide wurde. Er versteht also gar nichts von der jüdischen Kultur, der Bedeutung, die die Ahnen haben, die auch in Bildern mit den Nachgeborenen weiter leben. Vielleicht haben die Eltern von Irène das Gemälde nicht gemocht, weil ihre Tochter darauf als 8-Jährige wie eine Erwachsene wirkt..

Künstler, die ihrer Zeit voraus waren, hatten es damals schwer


Der Kunstgeschichtler Bührle legten den Schwerpunkt seiner Sammeltätigkeit auf die französische Kunst des 19. Jahrhunderts. Er studierte in Freiburg i. Breisgau und München und war deshalb sicher beeindruckt gewesen von dem Wirken des Schweizer Kunsthistorikers und Museumsdirektors Hugo von Tschudi (1851-1911), der die damals noch neue, moderne Kunst, auch noch aus Frankreich, das von konservativ-nationalen Machthabern schlecht gelitten wurde. Der Roman Erfolg (1930) von Lion Feuchtwanger (1884-1958) handelt unter anderem von den Querelen im Kunstbetrieb Münchens. Der Impressionismus war in seiner Entstehungszeit verpönt, wie so oft die Avantgarde. Der Kunstkritiker Emile Cardon schrieb 1874 über die Impressionisten:

"Das Gekritzel eines Kindes besitzt eine Naivität, eine Ernsthaftigkeit, die einen zum Lächeln veranlasst, die Auswüchse dieser Schule widern einen dagegen an."

Das Portrait der 8-jährigen Irène Cahen d'Anvers, das den Eingang der Neupräsentation der Sammlung Bührle im Zürcher Kunsthaus machte und im Foto oben abgebildet ist,  malte Renoir acht Jahre später.  

Beschämend 


Die am 3. November 2023 eröffnete Neupräsentation der Sammlung Bührle geht in keiner Weise darauf ein, wie es den früheren Besitzern ging, oder auf die komplexen Hintergründe rund um den Kunsthandel mit Raub- und Fluchtkunst, der Geldwäsche zugunsten des Nationalsozialistischen Terror-Regimes.  Auch die Schweiz erliess Rechtsakte, ihre Behörden brachten Vorwände, die Juden und Jüdinnen zwangen, ihre in der Schweiz deponierte Kunstwerke zu verkaufen, weil sie in der Schweiz, die für viele ein Durchgangsland auf der Flucht war, anders nicht über die Runden kommen konnten. Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass die komplexen Kauf- und Tauschgeschäfte rund um Kunst im Nationalsozialismus auch beitrugen, verfolgte Menschen zu retten und Aktivitäten des Schutzsystems und der Résistance zu finanzieren. Mein Vorwurf an diese Ausstellung und ihre Macher:innen ist, dass sie sich trotz der vielen offiziellen Studien und Berichte, der langen und umfassenden historischen Aufarbeitung zu wenig mit der damaligen schrecklichen Zeit befassen und sich nicht bemühen, sich in die damalige Situation jüdischer Menschen hinein zu versetzen.  Matthieu Leimgruber (2021) vermerkt: 


"... eignet sich Bührle als Figur bis heute, komplexe, historische Vorgänge zu personalisieren und damit zu banalisieren."


E.G. Bührle war bekennender und praktizierender Christkatholik. Ich würde schon deshalb ausschliessen, dass er irgendwelche Sympathien mit dem Nationalsozialismus hegte. 1937 lieferte Oerlikon Waffen im Spanischen Bürgerkrieg an die gewählte republikanische Regierung, vermittelt durch den linken, jüdischen Zürcher Anwalt Vladimir Rosenbaum (Farré, 2006, zitiert nach Leimgruber, 2021). Vor Kurzem bestätigte in einer Fernsehsendung, wo es um Waffenlieferungen an die Ukraine ging, der Präsident der Schweizer Partei Die Mitte erwähnt in einer Fernsehsendung, dass die Schweiz Waffen an die republikanische Seite im Spanischen Bürgerkrieg lieferte. Nur die Sowjetunion und Mexiko anerkannte die demokratisch gewählte Regierung von Spanien. Die wichtigsten westlichen Länder erliessen ein Wirtschaftsembargo, während die deutsche Luftwaffe die Putschisten unter Franco unterstützte. Es war wirtschaftlich und politisch sehr riskant für einen exportorientierten Waffenfabrikanten an die Republikaner im spanischen Bürgerkrieg Kriegsmaterial zu liefern. Im selben Jahr wurde Emil Bührle eingebürgert. Er war aber betroffen vom NS-Ausbürgerungsgesetz von 1933, sein ganzes Vermögen zu verlieren, auch ohne jüdischer Herkunft zu sein, und hatte Verwandte in Deutschland, die bedroht werden konnten. 

Allierte bombardierten andere Schweizer Rüstungsfabriken

Schweizer, die als Sanitäter in den internationalen Brigaden auf Seiten der Republikaner dienten, wurden noch nach dem Zweiten Weltkrieg bestraft. Der Jurist und Journalist Fritz Heberlein, der über diese Prozesse Zeitungsartikel schrieb, musste noch 1951 ins Gefängnis, weil er Informanten, die er für journalistische Artikel befragte, nicht Preis gab. Hauptprodukt der Werkzeugfabrik Oerlikon waren Fliegerabwehrkanonen, logischerweise, denn schliesslich besteht die militärische Doktrin und damit auch die Hauptaufgabe eines Rüstungsbetriebes eines neutralen Landes in der Verteidigung. Der Schweizer Rüstungsbetrieb lieferte nach Nazi-Deutschland, weil die Schweizer Regierung das so wollte. Es gab ein sogenanntes Clearing System, das schon während der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren eingeführt wurde, was bedeutet, dass aller Zahlungsverkehr über die Grenzen, für Export, wie auch für Import über eine Bank unter staatlicher Ausicht zusammen für alle Exporteure und Importeure getätigt wurde. Die Schweiz muss immer importieren, und zwar viel, und dafür muss man exportieren. Wer keine Einnahmen hat, der kann nichts kaufen, oder muss die Ersparnisse angreifen, oder Schulden aufnehmen. Hätte die Schweiz bei Nazi-Deutschland Schulden aufgenommen, wäre es ja wohl noch schlimmer heraus gekommen.

Auch finden sich keine Belege, wohin die Waffenlieferungen aus der Schweiz, die im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland geliefert wurden, hin gingen. In jedem Krieg gerät Militärmaterial durch Waffenschieber, Geheimdienste und Verräter woanders hin, als zur kriegsführenden Partei, die sie bestellt und bezahlt hat. Zwangsarbeiter und Widerständler verübten Sabotage. Deutschland hatte ein grosses Gebiet besetzt, in denen noch Gegner aktiv waren. Alliierte Flugzeuge bombardierten andere Rüstungsunternehmen in der Schweiz, die Kriegsmaterial an NS-Deutschland lieferten. Viele in Deutschland haben sich bemüht, wenigstens eine jüdische Person zu retten. Der Psychiater und Neurologe Viktor Frankl (1905-1997), der in Dachau Zwangsarbeit verrichtete, schreibt vom SS-Offizier der Wachmannschaft, der am Abend in die Apotheke ging, und Medikamente für seine Gefangenen kaufte, die er sich zurück legen liess. In Dachau fanden die abscheulichsten medizinischen Versuche statt.

Guernica, Picasso und Rüstungsindustrie

Am 27. April 1937 fielen die Bomben von den Flugzeugen der deutschen Legion Condor auf die baskische Stadt Guernica, der erste, gezielte Terrorakt gegen Zivilisten in der Kriegsgeschichte, mit dem Ziel die Moral des Gegners zu schwächen. Die Basken waren auf der Seite der Republikaner, weil sie fürchteten mit der faschistischen Diktatur ihre Autonomie zu verlieren. In der Stadt mit 6000 Einwohnern waren viele Flüchtlinge. Das berühmte Bild Guernica von Pablo Picasso (1881-1973) war im Juni 1937 an der Pariser Weltausstellung ab Juni 1937 zu sehen. Beides, der deutsche Bombenhagel und das Bild von Picasso erregten damals wie später grosse Aufmerksamkeit weltweit. Es ist anzunehmen, dass E.G. Bührle davon erfuhr, wenn er nicht sogar selbst an der Weltausstellung war. Spiegel-online fasste  in einem Artikel zum 80. Jahrestag den zwei Tage später in der britischen Times erschienenen Artikel des südafrikanischen Kriegsreporter George L. Steer (1909-1944) zusammen:


"Die Taktik der Angreifer war ganz klar: zuerst schwere Bomben und Handgranaten, um die Bevölkerung zu sinnlosen Fluchtversuchen zu veranlassen, dann Maschinengewehrfeuer aus Tiefflieger, um sie wieder in die Keller zu treiben, dann Zerstörung dieser Unterstände mit schweren Feuerbomben."


Der vollständige Artikel ist im Internet auf Englisch zu lesen. Hermann Göring sagte an den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen aus, dass der Einsatz der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg zu Übungszwecken war, um die moderne Kriegstechnik unter realistischen Bedingungen zu erproben. Der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog entschuldigte sich 1980 bei den Spaniern. Die Zahl der Toten ist nicht sicher, da auch die baskische Regionalregierung untertrieb, um die vielen Flüchtlinge in anderen Städten nicht zu beunruhigen. Sicher ist, dass die Legion Condor kriegsentscheidend war. 


14 Bilder gab Bührle den ursprünglichen Besitzern zurück


Vierzehn der Bilder, die Emil Bührle in der Zeit von 1936-1941 kaufte, wurden 1948 als Raubkunst eingestuft. Bührle gab sie den rechtmässigen Eigentümern zurück. Neun davon kaufte er erneut zum damaligen Schätzwert. Den Händler Theodor Fischer verklagte er darauf für den ursprünglich bezahlten Preis für mehrere Gemälde, die er über das Auktionshaus Fischer gekauft hatte und bekam Recht vor der eigens für die Restituierung von Raubkunst eingerichteten Abteilung des Schweizer Bundesgerichts. In den Begleittexten der Ausstellung im Zürcher Chipperfield Bau steht jeweils lapidar:


"Das Urteil ist bis heute umstritten, da Bührle 1942 von der systematischen Beraubung der jüdischen Sammlerinnen und Sammler sehr wohl wissen konnte."


Das ist aber nicht der Punkt. Erstens ging die Geldwäsche über den Kunsthandel durch den Verkauf von Kunstwerken aus dubiosen Quellen erst richtig los mit der Londoner Erklärung von 1943, in der die Alliierten den Handel mit von Deutschland konfiszierten Kunstwerken explizit verboten haben, einschliesslich einer speziellen Warnung an die neutralen Länder. Zweitens ist bekannt, dass die Nationalsozialisten und ihre Helfer mit hinterhältiger, gemeiner Intrigue und Gewalt arbeiteten, um den Enteignungen von Nicht-Ariern einen rechtmässigen Schein zu geben. Nazis und Kriegsgewinnler waren auch in der Schweiz, wie während des Ersten Weltkriegs und heute auch. Kriegsgewinn berechnet daraus, wenn ein Unternehmen in einem Zeitabschnitt, in dem Krieg ist, einen mehrfachen Gewinn macht, im vergleich zu dem, was es in normalen Zeiten gemacht hätte. Nach dem Ersten Weltkrieg zog die Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern, Steuern dafür ein. Unternehmen konnten aber auch eine betriebseigene Sozialversicherung einführen, was viele gemacht haben.

 

Kriegsgewinn


Es wird immer unterstellt, der Rüstungsfabrikant Bührle sei durch Waffenverkäufe an NS-Deutschland zum reichsten Mann der Schweiz geworden. Das ist nicht belegt. Erstens wurde Bührle vom Angestellten zum Inhaber, wodurch das Firmenvermögen zu seinem Vermögen kam. Die Rüstungsschmiede Oerlikon gehörte der Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik. Ob diese auch noch andere Firmen hatte, bevor sie Bührle übernahm, ist nicht aufgeführt. Er überführte die Firmenteile, die in Deutschland waren in den 1930er Jahre in die Schweiz. Da der Ausbau der Werkzeugfabrik Oerlikon zur Weiterentwicklung der Beckerkanone durch Bührles Schwiegervater, den Bankier erfolgte, ist nicht klar, zu welchem Teil der Vermögenszuwachs aus Erbe und Vermögen von diesem kam. Wäre sein Vermögenszuwachs durch Kriegsgewinn gewesen, hätte er Steuern bezahlen müssen dafür. Wie bereits erwähnt, wird Kriegsgewinn errechnet aus einem überdurchschnittlichen Gewinn, nicht dem Vermögen, was auch von der Rechtsform der Firma abhängig ist. 




 




 


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